Wuppertaler stürzt sich in den Eiskanal von St. Moritz
Seit 125 Jahren gibt es in St. Moritz den „Cresta Run“, ein von britischen Adligen gegründetes Rodel-Rennen. Magnus Eger aus Wuppertal fuhr mit – und holte fast den Sieg.
St. Moritz. Am Ende hatte er sie - die begehrte Krawatte. Ein besonderes Exemplar für den Kleiderschrank des Wuppertalers Magnus Eger, deren symbolischer Wert nicht hoch genug einzuschätzen ist. Für die Krawatte in den Vereinsfarben, den "Club Colours" des St. Moritz Tobogganing Club, hatte der 27-Jährige schließlich jüngst Kopf und Kragen riskiert - beim legendären Schlittenrennen "Cresta Run" im schweizerischen St. Moritz.
Sechs Abfahrten mit einem Stahlschlitten, dem sogenannten Toboggan, mussten absolviert werden, bevor der Sieger um den begehrten Curzon Cup feststand. Nach dem ersten Tag hatte der junge Deutsche noch sensationell in Führung gelegen, aber in den letzten drei Läufen musste er Lord Clifton Wrottesley den Vortritt lassen. Wahrlich keine Schande, denn der blaublütige Lord aus Irland gilt als einer der kaltblütigsten Piloten auf der Natureisbahn von St. Moritz. Acht Mal hat der rasende Lord das Rennen hinunter nach Celerina schon gewonnen und im Skeleton, einer verwandten Sportart, hat er einmal nur knapp eine Olympiamedaille verpasst.
"Schade, einer der Starts war nicht optimal. Doch die Saison hat gerade erst begonnen", sagte Magnus Eger, der nach seinem zweiten Rang nun in St. Moritz die Clubfarben tragen darf. Es ist nicht die erste Krawatte, die sich der Wuppertaler in einer der exklusivsten Wintersportarten erworben hat, bei der es mit Spitzengeschwindigkeiten von 140Stundenkilometern abwärts geht. Seit 2003 stürzt sich Eger beim Cresta Run mit dem Kopf voran ins Abenteuer. "Am Anfang bin ich sehr oft gestürzt. Als junger Fahrer will man immer ans Limit und schießt oft über das Ziel hinaus", erinnert sich Eger an die ersten Trainingsläufe.
Die Shuttlecock-Kurve im unteren Teil trennt die Spreu vom Weizen beim Cresta Run. Wer Probleme mit der Fahrlinie hat, fliegt unweigerlich aus der Bahn. Und wenn der Pilot Glück hat, landet er ohne schlimmere Blessuren in den Strohballen. Eine Erfahrung, die auch dem Wuppertaler nicht erspart blieb. "Jeder Fahrer, der einmal im Shuttlecock rausfliegt, wird Mitglied im Shuttlecock Club. Das berechtigt jeden Faller eine Krawatte mit dem berühmten Federball zu kaufen. Die Krawatte ist oft Erkennungszeichen, verbindet alle Cresta-Fahrer und wird stolz getragen", verrät Magnus Eger.
Very british? Ganz gewiss, denn der Cresta Run ist die britischste aller Wintersportarten und jeder Meter der Bahn, die vor 125 Jahren von Engadiner Hoteliers zur Belustigung der Gäste angelegt wurde, hält Geschichten über tollkühne und oft auch prominente Männer wie zum Beispiel Gunter Sachs bereit.
Der war 1966 Präsident des Shuttlecock Clubs. In den ersten Wochen jeder Saison wird auf einer verkürzten Strecke (Junction) gefahren. Erst wenn sich die Cresta Fahrer im Verlauf des Winters an die Grenzen herangetastet haben, wird "Top" gestartet - strengstens verboten für Anfänger und Fahrschüler. Magnus Eger hat längst die höheren Weihen und er wird deshalb auch am 13. Februar beim "Grand National", zum 125. Jubiläum des exklusiven Clubs am Start sein.
Seine Konkurrenten heißen dann wieder Lord Wrottesley oder Count Luca Marenzi, aber auch Pitsch und Mertens. "Ich habe einmal gelesen, dass die Furcht vor dem Eis am Start alle Fahrer gleich macht. Da steckt viel Wahrheit drin. Das Risiko fährt immer mit", sagt Magnus Eger. Eine Einschätzung, die man im Tobogganing Club durchaus teilt. 500.000 Fahrten, 50.000 Stürze - diese Bilanz zieht der Club selbst im Vorfeld des Jubiläums und lässt so den Mythos aufleben. Wagemutigen, die zwei Bürgen vorweisen müssen und erst nach einer Einweisung das erste Training absolvieren dürfen, rät der Club deshalb zu prüfen, ob die Fahrt durch Shuttlecock und Zielkurven auch durch bestehende Unfallversicherungen abgedeckt ist.