Soziales Wuppertaler Tafel: „Die Lage ist dramatisch“

Wuppertal · Die Tafel in Wuppertal hat ihre Zahlen für 2023 vorgestellt – beruhigend sind sie nicht.

Zülfü Polat von der Geschäftsführung der Tafel (l.) und Peter Vorsteher, Vorsitzender des Tafel-Vereins blicken sorgenvoll in die Zukunft.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Sie ist in Wuppertal unübersehbar. Die wachsende Armut zeigt sich im Stadtbild in vielen Formen. Dazu gehören auch die langen Schlangen vor der Wuppertaler Tafel. Hunderte von Menschen stehen hier täglich für Lebensmittel oder eine warme Mahlzeit an. Wie hoch der Bedarf ist, belegen die Zahlen, die von der Leitung der Einrichtung am vergangenen Dienstag vorgestellt wurden. Dabei gibt es einen erheblichen Anstieg. Das bringt die haupt- und ehrenamtlichen Beschäftigten an die Grenzen ihrer Belastung – und darüber hinaus.

Jeden Tag werden
500 Essen zubereitet

„Die Lage ist dramatisch“, betont Peter Vorsteher, Vorsitzender des Tafel-Vereins. Fast 30 000 Frühstücke und knapp 80 000 Mittagessen seien im letzten Jahr ausgegeben worden. Das sind in beiden Fällen über 30 Prozent mehr im Vergleich zu den Vorjahren. Bei der Kindertafel verzeichnete die Einrichtung mit 5495 Portionen sogar einen Anstieg von 68 Prozent, wobei hier auch das Angebot mit hauptamtlichen Mitarbeitern ausgebaut wurde. „Zusammengerechnet werden bei uns an jedem Tag an sieben Tagen in der Woche über 500 Essen zubereitet, was eine enorme Leistung des Küchenpersonals ist“, erklärt Peter Vorsteher. Er dankt allen Beteiligten ausdrücklich für ihren Einsatz. „Im letzten Jahr mussten wir aber auch schonmal Leute nach Hause schicken, weil die total überlastet waren“, berichtet Vorsteher.

Die Tafel stellt gerade die Weichen, um die Herausforderungen auch künftig bewältigen zu können. Dazu gehört die Nutzung der Küche der WSW, die ab Mitte des Jahres zur Verfügung steht. Dafür kommen allerdings auch Umbaukosten auf die Einrichtung zu. „Allein die Verlegung eines langen Starkstromkabels kostet 47 000 Euro“, so Peter Vorsteher. Die Einrichtung sei daher weiterhin dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Sorgen bereitet der Wuppertal Tafel auch das Einbrechen der Lebensmittelspenden insbesondere von Supermärkten. Standen vor Corona etwa 180 000 Tonnen pro Jahr zur Verfügung, seien es heute weniger als die Hälfte. „Die Lebensmittelindustrie kalkuliert knapper und setzt dabei künstliche Intelligenz sein“, sagt Zülfü Polat von der Geschäftsführung der Wuppertaler Tafel. In der Folge gebe es weniger Überschüsse- und damit weniger zu verteilen.

Ein Problem sei zudem der Missbrauch einzelner Kunden, die sich an gleich mehreren Ausgabestellen bedienen. „Wir werden das durch ein EDV-gestütztes Ausweissystem künftig verhindern“, erklärt Zülfü Polat. Dabei erhalten alle Bedürftigen eine Chipkarte, die den Besuch an den jeweiligen Ausgabestellen verzeichnen und dort von den Mitarbeitern eingelesen werden können. „Uns geht es um eine gerechte Verteilung“, so Polat. Er hofft, dass durch das neue System rund zehn Prozent der Lebensmittel effizienter ausgegeben werden können. Grundsätzlich will sich die Wuppertaler Tafel noch professioneller aufstellen. Dazu gehört im Februar die Gründung einer gemeinnützigen GmbH mit Zülfü Polat an der Spitze. Auch der gerade erfolgte Umbau im Kaufhaus der kleinen Preise soll einen entsprechenden Beitrag leisten. Nach der Neueröffnung ist hier viel los. „Die Kunden sind total begeistert“, berichtet Mitarbeiterin Nicole Mallmann, die zusammen mit ihrem Kollegen Uwe Wunderlich und weiteren Helfern im Kaufhaus für einen reibungslosen Ablauf sorgt.

Der Staat muss gegen
die Armut vorgehen

Sollte die Zahl der Bedürftigen, die Leistungen der Tafel in Anspruch nehmen, auch im nächsten Jahr so stark steigen, sieht Peter Vorsteher allerdings die Grenze des Machbaren erreicht. „Irgendwann geht es nicht mehr“, stellt er klar. Der Staat müsse sich angesichts der wachsenden Armut dringend Gedanken machen. „Wir sind mit der Politik in einem intensiven Austausch“, so Tafelchef Vorsteher.