Beratung Telefonseelsorge: „Wir sind der Seismograph der Gesellschaft“

Wuppertal · Jula Heckel-Korsten leitet seit Januar die ökumenische Beratungsstelle in Wuppertal. Die 54-Jährige bringt viel Erfahrung mit.

Jula Heckel-Korsten leitet seit Januar die Telefonseelsorge in Wuppertal. Sie betreut rund 90 Ehrenamtler.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Telefonseelsorge ist das Arbeitsfeld, in dem Kirche mit allen Menschen in Berührung kommt“, sagt Jula Heckel-Korsten. Seit Januar leitet die Pfarrerin die ökumenische Telefonseelsorge in Wuppertal, in der sie schon seit September 2017 tätig ist. Dort betreut sie 90 Ehrenamtler, die rund um die Uhr ein offenes Ohr für die Sorgen fremder Menschen haben. „Wir sind der Seismograph der Gesellschaft – wir kriegen als erste mit, was los ist.“

Die 54-Jährige bringt viel Erfahrung mit: Schon seit vielen Jahren leitet sie Fortbildungen für ehrenamtliche Telefonseelsorger in ganz Deutschland und betreut Gruppen als Supervisorin. Diesen Erfahrungsschatz setzt sie nun Vollzeit in Wuppertal ein. Jedes Jahr bildet sie eine neue Gruppe von Ehrenamtlern aus. „Wichtig ist es bei den Telefonaten, Resonanz auf Gefühle zu geben“, erklärt sie. Hinter der reinen Sachinformation sollten die Ehrenamtler mitbekommen, welche Gefühle beim Gegenüber mitschwingen. „Was bedeutet das, was der andere erzählt? Wie geht es ihm?“

Rund ein Viertel der Anrufer hat eine psychische Störung. „Wir übernehmen bei der Telefonseelsorge immer mehr die psychosoziale Versorgung“, nennt Jula Heckel-Korsten eine Änderung in der Arbeit in den vergangenen Jahren. Einsamkeit sei das große Thema vieler Anrufer. Vor allem die Altersgruppe zwischen 40 und 65 Jahren ruft in der Telefonseelsorge an, gleichmäßig verteilt über alle Stunden des Tages und der Nacht.

Ein wichtiger Aspekt der Arbeit von Jula Heckel-Korsten ist es, die Ehrenamtler zu stärken. „Für viele ist es schwierig, mit der Hilflosigkeit zurecht zu kommen.“ Wenn ein Anrufer ernsthafte Probleme hat und die Telefonseelsorger trotzdem irgendwann den Hörer auflegen müssen, ohne grundlegend etwas an der Situation ändern zu können. „Sie müssen lernen, wertzuschätzen, dass sie diesem Menschen eine halbe Stunde geschenkt haben“, erklärt die Pfarrerin.

Neulinge werden vor dem Einsatz in speziellen Kursen geschult

Für ganz schlimme Fälle, etwa nach einem Gespräch mit einem Selbstmord-Kandidaten, dürfen die Ehrenamtler ihre Chefin auch jederzeit anrufen, sogar mitten in der Nacht. „Das ist aber nicht oft nötig, weil alle gut vorbereitet sind“, erklärt Jula Heckel-Korsten. Ihr Mann hat Verständnis dafür, wenn zu ungewöhnlichen Zeiten das Telefon klingelt – er leitet die Essener Telefonseelsorge.

Damit alle Mitarbeiter am Telefon mit verschiedenen Situationen umgehen können, werden Neulinge in Kursen ausführlich geschult. Sie setzen sich mit ihren eigenen Gefühlen und Wertvorstellungen sowie ihrem Glauben auseinander. Dann lernen sie Gesprächsführung und trainieren diese in Rollenspielen. Anschließend müssen alle Ehrenamtler einmal im Monat in Gruppen zur Supervision zu ihrer Chefin kommen. Dort können sie belastende Gespräche aufarbeiten und über aufkommende Fragen diskutieren.

Doch die Pfarrerin möchte auch neue Wege beschreiten. So gibt es seit kurzem eine E-Mail-Seelsorge, bald sollen Chats folgen. Per Mail melden sich vor allem junge Leute zwischen 16 und 30 Jahren. „Da erleben wir oft heftigste Krisen“, sagt Jula Heckel-Korsten. Viele der Mail-Partner seien selbst auf Aufforderung nicht in der Lage, ihre Probleme am Telefon zu erzählen. Sie haben das Gefühl, immer perfekt sein zu müssen, können keine Delle in diesem Selbstbild vertragen. „Das kenne ich aus der Schulseelsorge auch.“ Zuletzt war die Mutter dreier inzwischen erwachsener Kinder zwölf Jahre lang als Schulseelsorgerin in Essen tätig. Davor hatte sie in der geriatrischen Reha-Klinik St. Antonius in Barmen gearbeitet.

Ihre wichtigste Aufgabe sieht sie nun darin, sich so um die Ehrenamtler bei der Telefonseelsorge zu kümmern, dass diese sich wohl fühlen und in der Lage sind, den nicht immer einfachen Dienst zu versehen. Sie liebt diese Herausforderung: „Das ist das Arbeitsfeld, in dem meine Leidenschaft liegt.“