Welches sind, in kurzen Worten, die größten Probleme für die Bergische Universität in dieser Phase der Corona-Pandemie?
Bergische Universität „Homeoffice bedeutet eine enorme Umstellung für alle“
Wuppertal · Am Montag hat das Sommersemester begonnen. Um den Studenten ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen, hat die Bergische Universität die Marke „Uni@home“ entwickelt.
Lambert T. Koch: Wie für andere Einrichtungen auch, besteht unsere größte Herausforderung darin, den Uni-Betrieb, mit über 3500 Mitarbeitenden und 23 000 Studierenden, so umzustellen, dass das Risiko einer Verbreitung des Virus minimiert wird. Wir sind sehr dankbar, dass hier alle großartig mitziehen. Um den Studierenden trotz der gesetzlich vorgegebenen Einschränkungen ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen, haben wir für das am Montag begonnene Sommersemester die Marke „Uni@home“ entwickelt. Im Kern steht dahinter, dass wir nun über 90 Prozent unserer vormaligen Präsenzveranstaltungen digital anbieten. Das Lehren und Lernen aus dem Homeoffice zu ermöglichen, bedeutet eine enorme Umstellung für alle.
Gibt es einen Krisenstab, wer ist da für was zuständig?
Koch: Ja, als sich das Ausmaß der Krise andeutete, haben wir schnell reagiert und einen Krisenstab gebildet. Er besteht aus Fachleuten für betriebliche Abläufe und Sicherheit, Personalmanagement, Lehre und Prüfungsrecht, internationale Beziehungen, technische Unterstützung, Bibliothekswesen, Versorgung und Wohnen sowie Kommunikation. Der Krisenstab berät das Rektorat und stimmt sich dafür auch mit den Personalräten und dem Asta ab. Außerdem steht er in engem Austausch mit dem Land NRW und dem städtischen Krisenstab.
Der Gesetzgeber NRW hat den Rektoraten Befugnisse übertragen, die im Normalbetrieb den Fachgremien zukommen. Welches sind die wichtigsten Aufgaben?
Koch: Die angesprochene Verordnung soll sicherstellen, dass der Hochschulbetrieb auch unter den aktuellen Einschränkungen funktioniert und auf die sich schnell ändernden Sachlagen kurzfristig reagiert. Dabei geht es vor allem um eine rasche Anpassung der Lehr- und Prüfungsbedingungen. Zum Beispiel werden wir den Studierenden damit entgegenkommen, dass wir die Regelstudienzeit erhöhen und für Prüfungen einen zusätzlichen „Freischuss“ erlauben. Außerdem werden wir im größeren Stil Online-Prüfungen zulassen, bei der Anerkennung von Praktikumsleistungen großzügiger sein oder auch die Einschreibefristen für Studienbewerber verlängern.
Es gibt Kritik an der Konzentration der Zuständigkeiten auf die Rektorate. Wie bewerten Sie dies?
Koch: Mit ein wenig Fantasie können die meisten erahnen, was es bedeutet, einen riesigen Bildungsbetrieb in nur vier Wochen von Präsenz- auf Distanzlehre umzustellen. Da die deutsche Bildungsbürokratie alle hochschulischen Aufgabenbereiche doppelt und dreifach reguliert hat, würde eine solche Umstellung im Normalbetrieb ewig dauern. Um also ein Studium in Zeiten der Corona-Krise überhaupt zu ermöglichen, war eine Prozessverkürzung unabdingbar. Aus Wuppertal kam mir diesbezüglich keine Kritik zu Ohren. Dem Vernehmen nach gibt es aber vereinzelt Menschen, die sich damit aus ideologischen Gründen schwer tun. Angesichts der derzeitigen Realität kann ich es da nur mit meinem Vater halten: nicht ärgern, nur wundern.
Wie viele Mitarbeiter der Hochschule sind im Homeoffice tätig – wie viele müssen präsent sein?
Koch: Für die Bergische Universität, wie auch für die meisten anderen Hochschulen, gilt seit geraumer Zeit, dass das Homeoffice der Regelarbeitsort ist. Gut 80 Prozent unserer Beschäftigten arbeiten derzeit von zu Hause aus. Andere halten auf dem Campus die Stellung, um Betrieb und Sicherheit der Gebäude zu gewährleisten, Verwaltungsabläufe zu managen oder große Forschungsexperimente zu betreuen.
Das Land will 20 Millionen Euro für die Digitalisierung für die Hochschulen bereitstellen. Was bleibt davon für die Bergische Universität. Welche Hilfen benötigen Sie?
Koch: Die Bergische Universität wird davon voraussichtlich gut 700 000 Euro erhalten. Die benötigen wir dringend, um die digitale Unterstützung von Lehre und Forschung zu verbessern. Wir erhöhen beispielsweise die Anzahl der VPN-Lizenzen, bauen unser eLecture-Portal aus und schaffen ein universitätsweites Angebot an Webkonferenz- und Meeting-Lösungen. Außerdem verbessern wir die Bereitstellung elektronisch verfügbarer Literatur.
Was leidet mehr: Die Lehre oder die Forschung?
Koch: Nun, in den meisten Fächern hat sich Forschung auch schon vor der Corona-Krise zunehmend digital organisiert. Da viele unserer Forschenden national und international kooperieren, liegt das nahe. In der Lehre hingegen erfinden wir uns derzeit neu. Ehrlich gesagt, bin ich stolz darauf, wie toll sich alle einbringen und in kürzester Zeit ein beachtliches Online-Programm auf die Beine gestellt haben. Natürlich lassen sich über die Distanz nicht alle Lehr-Lern-Ziele genauso gut erreichen. Eine intensive Diskussion in Vor Ort-Seminaren kann man auch mit noch so guten Videokonferenzsystem nicht voll ersetzen. Wie groß die qualitativen Einbußen an solchen Stellen letztendlich sein werden, lässt sich indes so richtig erst im Nachhinein beurteilen. Derzeit haben wir uns Zweckoptimismus auferlegt, den wir nach bestem Mühen rechtfertigen wollen.
Das Wintersemester würde zahlreiche neue Aufgaben stellen. Was muss und kann man jetzt schon bedenken, planen?
Koch: Wie gesagt, möchten wir die Einschreibezeiträume für verspätete Abiturienten verlängern. Fest steht auch schon, dass die Erstsemester im Winter später anfangen dürfen. Außerdem sind wir dabei, zu planen, wie wir die Prüfungsphasen strecken. Denn aufgrund der strengen Sicherheitsauflagen, müssen wir mündliche Prüfungen und Klausuren sehr viel aufwendiger organisieren.
Die Zahl der „Einzelschicksale“ wird hoch sein: Wie soll die Versorgung in der Mensa und den Caféterien funktionieren: Take away? Wie könnte der Ablauf der praktischen Übungen der Sportstudierenden sein? Auslandssemester? Was ist mit den ausländischen Studenten, die in Wuppertal geblieben sind?
Koch: Unsere Mensen und Caféterien sind aktuell alle geschlossen. Das ergibt sich aus den behördlichen Vorgaben. Deshalb müssen sich unsere Studierenden zu Hause versorgen. Was Laborpraktika anbetrifft, werden wir diese in Absprache mit Land und Stadt unter strengen Auflagen hoffentlich bald wieder in Präsenz anbieten. Der Sportbetrieb hingegen wird aufgrund des höheren Ansteckungsrisikos leider noch warten müssen. Mit vielen unserer ausländischen Studierenden steht unser akademisches Auslandsamt in engen Kontakt. Für manche der jungen Menschen konnten noch rechtzeitig Heimflüge organisiert werden. Land und Bund haben wir aufgefordert, einen Notfallfonds für Härtefälle unter den Studierenden aufzulegen. Hier wird in Kürze eine Entscheidung fallen.