Demonstration Wuppertals Stadtkämmerer Slawig zu Bayer: "Das macht mir große Sorge"

Für die Stadt Wuppertal werden die Einschnitte bei Bayer spürbare Folgen haben, sagt Stadtkämmerer Johannes Slawig.

Die Bayer-Beschäftigten demonstrierten auf der Friedrich-Ebert-Straße.

Foto: JA/Fischer, A. (f22)

Der Schock sitzt tief. Immer noch. Auch vier Tage nach der Hiobsbotschaft aus Leverkusen sind die Stellenstreichungen bei Bayer an der Friedrich-Ebert-Straße und im Forschungszentum Aprath das Thema in Wuppertal. Selbst die glanzvolle Feier in der Historischen Stadthalle zum zehnjährigen Bestehen der Junior Uni konnte die Sorge um den Standort, um Arbeitsplätze und um die Auswirkungen auf die gesamte Stadt nicht überstrahlen. Die Reaktionen waren von Überraschung geprägt, aber auch von Unverständnis.

Für Stadtkämmerer Johannes Slawig (CDU) ist die Entscheidung der Konzernzentrale gegen Wuppertal und für den US-Standort Berkeley ein schwerer Schlag ins Kontor. Bayer ist in Wuppertal nicht nur der größte private Arbeitgeber, sondern auch ein bemerkenswerter Gewerbesteuerzahler. Bei Gesamteinnahmen der Stadt im Jahr von um 200 Millionen Euro macht es sich bemerkbar, wenn ein Unternehmen als Einzahler ausfällt. Und genau danach sieht es bei Bayer aus.

Der Konzern hat beschlossen, die Produktion des Blutgerinnungswirkstoffes Faktor VIII nun doch nicht in Elberfeld aufzunehmen (WZ berichtete). Das ist in vielerlei Hinsicht eine schlechte Nachricht. Bayer will binnen der nächsten drei Jahre in Wuppertal mindestens 350 Stellen streichen. Am Rande der Demonstration am Montag in Elberfeld war sogar von bis zu 800 Stellen die Rede. Eine Bestätigung darüber gibt es aber nicht. Ebenso schwer wie die 350 Arbeitsplätze wiegt die Ankündigung, für das in Wuppertal gescheiterte Faktor-VIII-Abenteuer insgesamt 600 Millionen Euro abzuschreiben. Eine solche Information alarmiert jeden Kämmerer.

Hunderte Bayer-Mitarbeiter demonstrieren in Wuppertal
14 Bilder

Hunderte Bayer-Mitarbeiter demonstrieren in Wuppertal

14 Bilder
Foto: JA/Fischer, A. (f22)

Neumann: Bayer hat sich mit Monsanto verkalkuliert

Das gilt auch für Johannes Slawig. Wuppertal ist eine Stadt, die den Strukturwandel immer noch nicht ganz verarbeitetet hat. Die einst bärenstarke Textilindustrie spielt nur noch eine Nebenrolle, die vielen innovativen Automobilzulieferer, Dienstleister und Handwerker haben die Lücke nie ganz schließen können. Das führt dazu, das Wuppertal sich mit seinen Arbeitsmarkt- und Sozialdaten in der unteren Tabellenhälfte der deutschen Großstädte befindet. Ein Indiz dafür sind 50 000 Menschen, die ganz oder zum Teil von Hartz-IV-Leistungen leben. In so einer Stadt ist jeder Euro spürbar, vor allem dann, wenn er fehlt.

„Ich rechne schon mit erheblichen Einbußen“, sagt Kämmerer Slawig. Für einen auf Kante genähten Haushalt ist das dramatisch. Und vor allem ist es vermutlich keine vorübergehende Erscheinung. „Ich will die Fälle nicht vergleichen, aber als Bayer Lipobay vom Markt genommen hat, dauerte es sehr lange, bis alles wieder war wie vorher. Das macht mir schon Sorgen.“

Slawig rechnet damit, dass die Abschreibung und Wertberichtigungen auf die Investitionen in Wuppertal im Zusammenhang mit Faktor VIII womöglich auch bei Bayer an der Friedrich-Ebert-Straße Umstrukturierungen einsetzen, die wiederum zu Ergebnisdellen und für die Stadt damit zu Gewerbesteuer-Mindereinnahmen führen. Das ist für eine Stadt wie Wuppertal schon schlimm genug.

Aber die Entscheidung von Bayer wirkt sich auch indirekt auf Wuppertal aus. Weniger Stellen dort bedeutet weniger hochwertige Jobs, weniger Menschen mit überdurchschnittlicher Kaufkraft, weniger Anteil an der Einkommensteuer, dafür aber mehr Unsicherheit. „Wuppertal hat sich in den vergangenen Jahren so gut entwickelt. Was ist das jetzt für ein Symbol, was ist das für ein Signal, dass Bayer eine Millionen-teure, nagelneue Immobilie nun leer stehen lässt“, fragt Slawig.

Der Konzern habe sich mit der milliardenschweren Übernahme von Monsanto verkalkuliert und das versuche man nun auf dem Rücken der ‚Arbeitnehmer auszubügeln, sagt der Bergische Landtagsabgeordnete Josef Neumann (SPD). Er forderte die Landespolitik zur Solidarität mit den Mitarbeitern auf. „Aktienkurse dürfen nicht vor den Interessen der Beschäftigten stehen“, so Neumann weiter. »S. 3