Zahl der tödlichen Motorradunfälle ist 2017 um zwölf Prozent gestiegen
84 Menschen kamen in NRW ums Leben — neun mehr als im Vorjahr. Innenminister Herbert Reul warnt zum Saisonstart vor zu hohem Tempo und zu hoher Risikobereitschaft.
Es war kein Zufall, dass Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montagmittag zum Auftakt der Motorradsaison auf den Wanderparkplatz Arboretum — auch bekannt als Parkplatz Burgholz — an der L74 zwischen Sonnborn und Kohlfurth einlud. Denn obwohl dort eine doppelte Blitzanlage steht und mit Warnschildern auf die Gefahr überhöhten Tempos hingewiesen wird, kommt es dort immer wieder zu Motorradunfällen. Und wie dramatisch die Folgen ohne Knautschzone für die Zweiradfahrer sein können, zeigen die aktuellen landesweiten Zahlen. 84 Motorradfahrer sind im vergangenen Jahr in NRW nach Unfällen gestorben — neun mehr als im Jahr zuvor und so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr. „Hauptursache ist überhöhte Geschwindigkeit“, sagt Innenminister Reul. Besonders Fahranfänger und Wiedereinsteiger seien betroffen.
Gerade am Anfang der Motorradsaison stiegen die Unfallzahlen besonders stark an, sagt der Wuppertaler Polizist Rainer Feller (62). Er fährt selbst im Einsatz und privat viel Motorrad. „Die Autofahrer müssen sich im Frühjahr erst wieder an die schmale Silhouette der Motorradfahrer gewöhnen“, weiß Feller aus Erfahrung. Und die Zweiradfahrer müssten sich nach der Winterpause erst selbst wieder an die Geschwindigkeit gewöhnen. Das führe im Frühjahr zu besonders vielen brenzligen Situationen. Gleich zweimal hätte es ihm am vergangenen Wochenende vom Motorrad geholt, wenn er nicht in gemäßigtem Tempo und mit vorausschauendem Blick unterwegs gewesen wäre, erzählt Feller. Ein Autofahrer wäre fast mit ihm kollidiert, weil dieser völlig abgelenkt gewesen sei — und ein Linksabbieger hatte ihn übersehen. „Im Laufe der Saison nehmen solche Situationen aber ab“, sagt Feller.
Damit es erst gar nicht zu Unfällen kommt, informiert das Innenministerium am Anfang der Motorradsaison über Unfallzahlen, Gefahren und Präventionsmaßnahmen. Außerdem gibt es Informationsveranstaltungen von Sicherheitsbotschaftern für Fahranfänger, vor allem in Schulen. Bei der Verkehrsprävention zeigt sich die Wuppertaler Polizei besonders engagiert.
2005 rief sie das Projekt „Am Limit lenkt der Zufall“ ins Leben. Die Idee: Im Netzwerk der „Limiter“ aus ehrenamtlich aktiven Bikern tauschen diese in Zusammenarbeit mit der Polizei untereinander Erfahrungen aus, bieten gemeinsame Übungen und Ausflugsfahrten an. Biker werden zu sogenannten „Tourguides“ fortgebildet, um selbst die Betreuung und Schulung von Ausflugsgruppen übernehmen zu können. Ein Erfolgsprojekt: Mittlerweile sind 257 Aktive bei den „Limitern“ dabei, 27 von ihnen sind „Tourguides“.
Einer den Tourguides ist Bernd Obermeier (68). Der Cronenberger fährt seit 45 Jahren Motorrad und kam vor neun Jahren über einen Freund zu den Limitern. Seit fünf Jahren ist er Tourguide. „Ich möchte Sicherheitsaspekte an junge Leute weitergeben“, erklärt Obermeier seine Motivation. Doch er schätzt auch den „familiären Charakter“ bei den gemeinsamen Ausflügen der Limiter. Zwar sei es nicht immer leicht, an andere Biker heranzukommen. Manche verschlössen sich den Botschaften komplett. Die Limiter würden sogar manchmal selbst bedrängt und überholt. „Aber davon lassen wir uns nicht entmutigen“, sagt Bernd Obermeier entschlossen. Bei den gemeinsamen Ausfahrten gehören zum Beispiel Bremsübungen zum Programm. Obermeier wirbt auch gerne dafür, gelbe Warnwesten zu tragen. Dass die Zweiradfahrer damit deutlich besser zu erkennen sind, lässt sich beim Pressetermin eindrucksvoll beobachten: Die große Gruppe der Limiter und Polizisten in gelben Warnwesten leuchtet dem Autofahrer schon von weitem entgegen. Ein Effekt, der sich in der Dämmerung noch verstärke, so Obermeier.
Ralf Gumny kam zufällig zu den Limitern. Der 63-jährige Wuppertaler fährt seit gut 40 Jahren Motorrad und nahm eines Tages an einer geführten Tour der Limiter teil. Er engagiert sich auch im Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) und stellte fest: „Beide Gruppen haben das gleiche Ziel: Sicherheit.“ Im Mai steht die Saisoneröffnung der Limiter an. Sie hoffen, dann wieder möglichst viele Motorradfahrer zu erreichen. Doch das ehrenamtliche Engagement lohne sich schon für jeden einzelnen Unfall, der vermieden werden kann, da sind sich alle einig.