Zaubersprüche aus dem Bergischen Land
Vor 100 Jahren war es üblich, alltägliche Probleme mit übersinnlicher Hilfe zu lösen.
Wuppertal. Magie und Zaubersprüche werden die meisten Menschen aus Filmen wie „Harry Potter“ kennen. Noch vor 100 Jahren war es jedoch im Bergischen Land durchaus üblich, alltägliche Probleme durch die Hilfe des Übersinnlichen zu lösen. Heimatforscher Otto Schell sammelte einige der über Jahrhunderte mündlich überlieferten magischen Formeln und präsentierte sie 1906 der Öffentlichkeit.
Wer sich mit Zaubersprüchen beschäftigt, merkt schnell, dass diese dazu gebraucht wurden, um die unmittelbare Umgebung des Menschen zu beeinflussen. Haus und Hof sollten vor Dieben, die menschlichen Bewohner und auch das Vieh vor Krankheiten geschützt werden. Zudem wollte man sich vor bösen Geistern und auch vor dem Teufel schützen — Magie wird in allen Kulturen immer dann angewendet, um die Unsicherheiten des täglichen Lebens abzuwenden.
Schell schrieb in seinem Aufsatz „Bergische Zauberformeln“, der 1906 in der Zeitschrift für Volkskunde in Berlin erschien, dass der Glaube an „Zauberei und Hexenkunst“ im Vergleich zu früheren Jahrhunderten zwar stark abgenommen habe, die Zauberkunst aber noch immer im Volk ausgeübt werde. Das Sammeln dieser Zauberformeln sei allerdings von Schwierigkeiten begleitet worden.
So ist die Magie des Wortes etwas Exklusives, an dem die Öffentlichkeit nicht teilhaben durfte. So wie Rumpelstilzchen im Grimm’schen Märchen seine Macht durch die Enthüllung seines Namens verliert, so büßen Zauberformeln ebenfalls an Wirksamkeit ein, wenn sie offenbart werden. Aus diesem Grund wurden die Sprüche in vielen Fällen nur geflüstert oder leise geraunt. Dennoch wurden einige der Formeln aus dem Bergischen überliefert.
Zahlreich sind die Sprüche gegen Brandwunden. Hierbei strich der Heilende sanft über die Brandwunde und murmelte leise den Zauber. So überlieferte ein 90-jähriger Weber aus Elberfeld folgende Formel: „Ich blase den Brand, tief in den Sand, den Brand, der sticht, wie Jesus ans Kreuz geschlagen ist worden.“ Bei den ersten Worten blies der Zaubernde auf die schmerzende Stelle. Über der Wunde schlug man das Kreuz und schloss mit den Worten „im Namen Gottes“ oder „Amen“ ab.
Da man sich durch die Anwendung von Magie von der göttlichen Ordnung entfernte, beruhigten die Zaubernden sich, indem sie den Namen Gottes, der Heiligen oder der Jungfrau Maria nannten. Auch versuchte man sich mit Hilfe der Magie vor den Kräften der Natur zu bewahren. „Jises Wahles! Herus Wahles! Jodes Wahles“ sprach man im Bergischen Land beim Aufleuchten eines Blitzes. Das sollte verhindern, dass er in das eigene Haus einschlug.
Eine Variante des in Europa verbreiteten Bienensegens ist der bergische Zauberspruch, der bewirken soll, dass die Insekten nach dem Tod ihres Besitzers sterben. In anderen Varianten soll verhindert werden, dass die Tiere fortfliegen. In dem aus Mettmann stammenden Spruch geht ein Verwandter des verstorbenen Imkers zum Stock und spricht: „Gon Morgen tesamen; Önke Hiar es duad.“ Auch gab es Zauber, mit dem der Teufel selbst vertrieben werden sollte. „So schlag’ ich nun mit Jesu Wunden Dich, Teufel, bis zur Höll’ hinein“, lautet der Spruch, den ein Küster aus Denklingen mitteilte.