„Zeit, dass sich Täter schämen“
Die Vereinte Evangelische Mission thematisiert Gewalt gegen Frauen.
Die 23-Jährige mit den kurzen dunkelbraunen Haaren und dem kämpferischen Blick ist aus Afghanistan geflohen, weil sie die Schule besuchen wollte. Dafür wurde sie von ihrem Vater bestraft. Er schlug sie mit einem Stock, in den er einen Nagel geschlagen hatte. Ein anderes Mal goss er ihr kochendes Wasser über den Fuß. Die psychischen Folgen dieser schlimmen Zeit werden jetzt in Wuppertal aufgearbeitet.
Passend zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember macht die Vereinte Evangelische Mission (VEM) auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Die Gemeinschaft von Kirchen in drei Erdteilen blickt dazu in einer neuen Broschüre auf Indonesien, auf die Demokratischen Republik Kongo — aber auch auf Deutschland. „Lange haben sich die Opfer geschämt, jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Täter schämen“, sagt Irene Girsang, Referentin für interregionale Frauenprogramme.
Frauen, die in ihrer Heimat unter geschlechtsspezifischer Gewalt gelitten haben, dort geschlagen und vergewaltigt wurden, finden an der Rudolfstraße eine Anlaufstelle. Der direkte Nachbar der VEM ist der Kooperationspartner Amnesty International, der in Wuppertal im Juli 2016 ein Pilotprojekt gestartet hat. Maria-Teresa Amarante hilft derzeit rund 30 geflüchteten Frauen, bietet ihnen Rechtsberatung und begleitet sie im Asylverfahren. „Wir müssen zu diesen Frauen Vertrauen aufbauen. Das kostet viel Zeit und dafür ist ein geschützter Raum notwendig“, sagt Amarante.
Die VEM hilft aber auch Menschen in der Ferne. In Indonesien begleitet das Krisenzentrum für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, bei Gerichtsprozessen oder bietet ihnen psychologische Beratung an. Ein dramatisches Ausmaß hat die sexuelle Gewalt im krisenerschütternden Kongo angenommen. „Die Leidtragenden sind oft die Frauen“, sagt Kirchenrätin Anja Vollendorf. Hier gehe das Ausmaß der Gewalt über Vergewaltigungen hinaus. So werden Frauen von Soldaten gefoltert, die in vielen Fällen selbst noch Kinder sind. Oftmals hält Scham die Frauen davon ab, ihre Stimme zu erheben. Vergewaltigungen passierten am hellichten Tag.
Manfred Rekowski, Präses der evangelischen Kirche im Rheinland und Schirmherr der Aktion, sagt: „Wir müssen Lobbyisten für die Betroffenen werden.“ Laut VEM-Vorstandsmitglied Jochen Motte ist es das Hauptziel der Mission, mit ihrer Aktion das Bewusstsein für das Thema zu stärken — mit Broschüren, Plakaten und Postkarten.
In die Karten spielt den Verantwortlichen, dass das Thema sexuelle Übergriffe auf Frauen wegen der aktuellen Enthüllungen in Hollywood in aller Munde ist. Irene Girsang findet es gut, dass Frauen im Rahmen der Bewegung „me too“ ( „ich auch“) erstmals öffentlich über ihre Erfahrungen sprechen. Allerdings befürchtet sie, dass die Gesellschaft in Ländern wie Indonesien noch nicht so weit ist: „Da sind die Frauen nicht so offen. Aus Angst vor dem Gesichtsverlust.“