Abschied von einem Stück Heimat Zum 31. Dezember stellte der „Cronenberger Anzeiger“ nach 144 Jahren den Betrieb ein
Wuppertal · Eine Großzahl der „Dörper“ kann sich ein Cronenberg ohne sein sogenanntes „Blättchen“ nicht vorstellen. Wie sollten sie auch?
Es war Zeit ihres Lebens da und viele sind durch ihre Eltern und Großeltern mit der charmanten Lokalzeitung aufgewachsen. Einmal in der Woche klapperte es am Briefkasten und schnell lagen die Cronenberger Seiten auf dem Frühstückstisch. Für die ältere Generation ein festes Ritual, ebenso mit dem Lesen auf der letzten Seite anzufangen, denn man musste ja informiert sein, wer „im Dorf“ verstorben ist. Der 1880 gegründete Cronenberger Anzeiger ist im Laufe der Zeit mehr als nur eine Lokalzeitung geworden, er wurde Bestandteil des Lebens auf den Südhöhen. Das Familienunternehmen kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, was in der außergewöhnlichen Aufzählung, die den veröffentlichten Worten des Abschieds voranging, nur angedeutet wird: „144 Jahre, 2 Kriege, 3 Kaiser, 37 Kanzler, 2 Republiken, 1 Stadt, 1 Stadtteil, 4 Generationen – 1 Zeitung“.
Der Blick zurück auf
einen langen Familienweg
Die Gründung des Cronenberger Anzeigers geht auf Richard Landeck zurück, der sich in der Schorfer Straße Cronenbergs einen Verlag mit Druckerei errichtete. Er druckte und verteilte seine Zeitung selbst. Mit einem kleinen Bollerwagen fuhr er sie im Ort aus. Nach einem Streit mit dem damaligen Bürgermeister der noch selbstständigen Stadt Cronenberg, Albert Kemmann, verschwand er 1889 jedoch über Nacht nach Amerika. Im selben Jahr des Fortgangs von Landeck übernahm Johann Eckers die Druckerei und die Familiengeschichte des Unternehmens „Verlag und Druckerei Johannes Eckers e.K.“ fand ihren Anfang. Dieser unterbrach seine Buchdrucker-Wanderjahre in der Schweiz, um die Zeitung weiterzuführen, zunächst als Redakteur und später als Inhaber. Unterstützt von seiner mittätigen Ehefrau Emilie meisterte er die schwierigen Anfangsjahre und berichtete über die ganze Welt. Kurz vor der Jahrhundertwende zog die Druckerei um in die Hauptstraße. 1919 wurde das Zepter weitergereicht und Johannes Eckers übergab die Druckerei an seinen jüngsten Sohn Hans, der das Geschäft fortan führte, wobei ihm auch seine Frau Hilde zur Seite stand. Die Zeitung erschien mehrfach in der Woche und die Berichterstattung wurde mit der Zeit um ausführliche Vereins-, Sport- und Ortsnachrichten erweitert. Im Zweiten Weltkrieg musste der Cronenberger Anzeiger aufgrund einer Verordnung der Reichspressekammer sein Erscheinen einstellen. Eine Maßnahme, die alle bürgerlichen Heimatzeitungen betraf. Nach Kriegsende startete ein langsamer Neuanfang und die Druckerei nahm die Arbeit wieder auf. Wegen der noch fehlenden Zeitung wurden die Cronenberger durch Aushänge im Schaufenster informiert. Im Jahr 1948 erhielt Hans Eckers von der britischen Militärregierung die Genehmigung, ein Anzeigenblatt für Cronenberg herauszugeben. Erst im Jahr 2000 nahm der Cronenberger Anzeiger wieder redaktionelle Inhalte auf. Nach dem Tod von Hans Eckers ging die Geschäftsführung in die Hände der Tochter Marga über, eine Schriftsetzermeisterin. Begleitet durch Maschinen-Neuanschaffungen entsprach der Druckereibetrieb durch die Zeit den modernen Anforderungen, wodurch zahlreiche Publikationen ermöglicht wurden: von Büchern zur Heimatgeschichte bis hin zu Vereinszeitschriften. 2008 übernahm dann die vierte Generation das Unternehmen, in Form von Nicole Mucke-Schiffer, der Nichte von Marga Giesecke geb. Eckers. Zusammen mit ihrem Ehemann Wolfgang Schiffer, beide Dipl. Ing. für Drucktechnik, leitete sie den Cronenberger Anzeiger bis heute.
Auch das Ehepaar Mucke-Schiffer setzte das Familienanliegen, die Bürgerinnen und Bürger Cronenbergs zu informieren, miteinander zu vernetzen und ihnen einen gegenseitigen Austausch zu ermöglichen, fort – in guten wie in schlechten Zeiten. Auch verschiedene Veranstaltungsformate wurden ins Leben gerufen, um die Dörper zusammenzubringen, wie zum Beispiel die Cronenberger Comedy Nacht in Policks Heimat unter dem Motto „Blättchen, Brötchen, Blödelbarden“ oder das große „Frühjahrspicknick“ auf dem Kirchplatz in der Ortsmitte. Bis heute waren auch noch die stetigen Aushänge im Schaufenster zu finden, bei denen die aktuellen Todesanzeigen natürlich nicht fehlen durften. Die Ur-Cronenberger haben in Bezug darauf sogar eine kleine makabre Redewendung: „Du bist erst tot, wenn du bei Eckers im Fenster gehangen hast.“ Im Oktober gab der Cronenberger Anzeiger seinen Abschied bekannt und für viele ging damit etwas Selbstverständliches verloren. Die Resonanz war liebevoll und drückte sich durch zahlreiche Anrufe, Briefe, Geschenke, E-Mails und auch Briefe aus. Am Silvestertag hat das Ehepaar Mucke-Schiffer dann nochmal zu einem Abschieds-Umtrunk in die Geschäftsstelle an der Hauptstraße eingeladen. Knapp 250 Gäste nutzten diese Gelegenheit, um persönlich Lebewohl zu sagen. Doch wie auf dieser Seite zu sehen, wird der Name „Cronenberger Anzeiger“ weitergeführt, einmal in der Woche im Lokalteil der Westdeutschen Zeitung, damit das Beste aus Cronenberg auch weiterhin zu lesen ist. Und so bleibt alles beim Alten – nur anders.