Offen gesagt Einsamer Rufer in der Wüste

Wuppertal · Bei aller berechtigten Kritik am bisweilen zu burschikosen Auftreten des Präsidenten gilt Meyer zurecht als unermüdlicher Vorkämpfer einer Region, die sich auch als solche empfindet.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Die Nachricht ist mindestens überraschend gewesen, angesichts des Wirkens und der Wirkung von Thomas Meyer war sie sogar sensationell. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer für das Bergische Land, der Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, der Macher des Bergischen Rates zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Thomas Meyer tritt nicht zur Wiederwahl im nächsten Jahr an. Das hätte vor wenigen Monaten vermutlich niemand für möglich gehalten. Vielmehr schien der Stern des Unternehmers aus Solingen immer weiter steigen zu wollen. Die von ihm regelmäßig erwähnten Termine mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es schließlich wirklich gegeben. Der Einfluss des wuchtigen Firmenlenkers auf die große Politik in Deutschland schien mit jedem Arbeitsessen zu wachsen. Und nun das.

Thomas Meyer ist ein streitbarer Präsident, er ist raumgreifend, neigt bei schlechten Gelegenheiten zum offenen Wort. Sein Vorwurf an die Stadtoberen Wuppertals, sie seien im Zusammenhang mit dem Outlet-Streit mit Remscheid „verlogen“, hätte in einem kleinen Kreis sicher keine hohen Wellen geschlagen. So etwas in aller Öffentlichkeit zu sagen und dann vom Hauptgeschäftsführer der Kammer auch noch wiederholen zu lassen, zeugt davon, dass Meyer das Fach Diplomatie in der Schule des Lebens ziemlich oft geschwänzt haben muss.

Und doch wird der IHK, wird dem Bergischen Land etwas fehlen, wenn Meyer im nächsten Jahr aus dem Ehrenamt entschwindet. Denn bei aller berechtigten Kritik am bisweilen zu burschikosen Auftreten des Präsidenten gilt Meyer zurecht als unermüdlicher Vorkämpfer einer Region, die sich auch als solche empfindet. Sein Ringen darum, das Bergische Land zu einen, prägt seine Amtszeit. Dass er seinem Ziel nicht deutlich näher gekommen ist, liegt nicht an Meyer allein. Eine Hauptverantwortung dafür tragen die Politiker und Oberbürgermeister der Städte Solingen, Remscheid und Wuppertal. Sie sind diejenigen, die Meyers richtige Idee vom Bergischen Rat konterkariert haben. Wer das nicht glaubt, dem sei die jüngste Sitzung des Gremiums in Erinnerung gerufen. Sie endete nach weniger als 90 Minuten damit, dass sich die  Vertreter der drei Städte im Grunde auf gar nichts haben einigen können.

Sicher hat die Schwäche des Bergischen Rates auch etwas mit seinem entscheidenden Geburtsfehler zu tun. Das Gremium ist mit keinerlei Befugnissen ausgestattet. Und so wird es von den politischen Mandatsträgern in den Rathäusern auch behandelt. Dabei sollte inzwischen selbst dem letzten Politiker und dem allerletzten Stadtverwalter aufgefallen sein, dass Missgunst und Zwist zwischen Wuppertal, Solingen und Remscheid allen Städten nutzt,  nur Wuppertal, Solingen und Remscheid nicht.

Thomas Meyer hat das erkannt und über einige Jahre unermüdlich dagegen angekämpft. Auch wenn das nicht immer nach den Regeln der diplomatischen Kunst geschehen ist, gebührt dem scheidenden Präsidenten dafür Lob und Anerkennung. Meyer hinterlässt mithin große Fußspuren. Aufgabe der Hauptversammlung der Bergischen Industrie- und Handelskammer wird es  nun sein, in ihrem Kreis jemanden zu finden, der in diese Fußstapfen treten kann, ohne die wenigen Pflänzchen Bergischen Gemeinsinns zu zertreten. Denn in Zeiten, in denen die nächste industrielle Revolution schon begonnen hat und das Bergische Land mit seiner Industriestruktur schon wieder zu den Regionen in Deutschland gehört, die davon am meisten zu spüren bekommen werden, braucht es eine IHK, die sich als Parlament der Wirtschaft versteht und so auch agiert.

Solange beispielsweise in Wuppertal Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung nach dem Zufallsprinzip organisiert werden, muss die Kammer mehr denn je die Leitplanke sein. Deshalb muss dem einsamen Rufer Thomas Meyer ein Präsident folgen, dem es gelingt, aus vielen Egoisten eine funktionierende Mannschaft zu machen. Sonst steigt das Städtedreieck in die 2. Liga ab und so schnell nicht mehr auf.