Modellversuch startet im Herbst: Die Grippeschutzimpfung soll nicht mehr nur Sache der Ärzte sein Zum Impfen in die Apotheke
DÜSSELDORF · . Noch ist es nur ein Modellversuch – doch die Ärzteschaft hat sich bereits klar positioniert gegen eine Grippeschutzimpfung durch Apotheker: „Nur Ärztinnen und Ärzte sind qualifiziert für die Impfanamnese, den Ausschluss akuter Erkrankungen und die Aufklärung zur Impfung“, polterte kürzlich Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein.
Zudem seien nur Mediziner in der Lage, die – nie ganz auszuschließenden – Nebenwirkungen wie zum Beispiel allergische Reaktionen zu beherrschen. Impfungen müssten daher bei Ärztinnen oder Ärzten stattfinden.
Thomas Preis, der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, sieht es dagegen als gemeinsames Ziel von Ärzten und Apothekern, die Durchimpfungsraten zu steigern. Bislang seien nur rund 35 Prozent der Bundesbürger ab 60 Jahren gegen Grippe geimpft. Damit sei Deutschland von den auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO angestrebten 75 Prozent noch weit entfernt. Gerade in der kommenden Grippesaison sei es besonders wichtig, dass gerade die Risikogruppen sich impfen ließen, sagt Preis. Das sei sowohl bedeutsam für jeden Einzelnen, damit der Körper im schlimmsten Fall nicht zwei Virusinfektionen – die normale Grippe und eine Covid-19-Infektion – gleichzeitig bekämpfen müsse. Auch könnten Grippepatienten ab dem Herbst ja dann auch neben den Covid-19-Patienten zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen. Das gelte es zu vermeiden.
Der auf drei Jahre angesetzte Modellversuch der AOK Rheinland/Hamburg soll so ablaufen, dass insgesamt 100 Apotheken, je 25 aus vier Regionen, darunter auch Düsseldorf und Umgebung, ab Herbst die Grippeschutzimpfung anbieten. Zunächst ist das Angebot auch nur auf AOK-Versicherte beschränkt, kann aber gegebenenfalls auf weitere gesetzlich Versicherte ausgedehnt werden. Noch steht nicht fest, welche einzelne Apotheke mitmachen wird, zunächst wird es zehnstündige Schulungen der teilnahmewilligen Apotheker unter ärztlicher Leitung (Impftechnik, eventuell notwendige Notfallmaßnahmen) geben. Auch müssen die teilnehmenden Apotheken für die Impfung einen vom Verkaufsraum nicht einsehbaren Raum haben.
Preis betont, dass die Apotheker keine Impfungen an Personen vornehmen, wenn Komplikationen möglich seien, etwa bei Schwangeren, bei Menschen mit akuten Infektionen oder mit allergischen Reaktionen. Diese würde an Ärzte verwiesen. In Ländern wie der Schweiz, Frankreich, England oder Dänemark sei die Grippeschutzimpfung durch Apotheker längst geübte Praxis. Und: Nur der Apotheker oder die Apothekerin selbst dürfe die Impfung vornehmen. In der ärztlichen Praxis dürfe dies auch eine medizinische Fachangestellte machen.
Wie erklärt sich, dass ein Apotheker für eine solche Grippeschutzimpfung 12,61 Euro abrechnen darf, der Arzt aber nur 7,95 Euro bei Kassenpatienten beziehungsweise 11 Euro bei Privatpatienten? Apotheker Preis verweist darauf, dass trotzdem die Impfung in der Apotheke für die Krankenkasse preiswerter sei, weil in der Arztpraxis dann ja auch noch zusätzliche Untersuchungen gemacht und abgerechnet würden.
Der Apothekenverbandschef versucht die Bedenken der Ärzteschaft zu zerstreuen: „Patienten, die sich ohnehin schon bei ihrem Arzt impfen lassen, werden dies auch weiterhin tun.“ Es gehe um ein zusätzliches Angebot an Menschen, die bisher nicht erreicht würden. Auch könnten die Ärzte damit rechnen, dass durch den Apotheker den Menschen nach Durchsicht des Impfpasses weitere Impfempfehlungen gemacht würden, etwa gegen Tetanus, die sie dann beim Arzt machen. Es gehe um Aufklärung, um Zusammenhalt der Heilberufe und eine Steigerung der Impfquote gerade in der jetzigen Zeit, betont Preis.