Neue Lungenkrankheit Coronavirus in NRW - Wo sich das Ehepaar angesteckt hat, ist völlig offen
Düsseldorf · Wie sich das Paar aus Gangelt anstecken konnte, ist ein Rätsel – ebenfalls, wen es wiederum infiziert haben könnte. Kitas und Schulen im Kreis Heinsberg bleiben geschlossen. Einen weiteren Verdachtsfall gibt es bei einer Bayer-Mitarbeiterin in Leverkusen.
Jetzt ist auch Nordrhein-Westfalen ein Coronavirus-Gebiet. Seit der Nacht zu Mittwoch wird ein Ehepaar aus Gangelt im Kreis Heinsberg in der Düsseldorfer Uni-Klinik (UKD) behandelt – beide leiden unter einer Lungenentzündung durch die neue Krankheit, der Mann muss beatmet werden. Das Gesundheitsamt vor Ort und das Landesgesundheitsministerium tun nach eigenen Angaben alles, um die Infektionskette zu unterbrechen und eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das größte Problem: Wo sich die beiden angesteckt haben, ist völlig offen. Am Mittwoch teilte Bayer zudem mit, dass eine im Chempark Leverkusen beschäftigte Frau mit Verdacht auf das Coronavirus im Klinikum Leverkusen behandelt werde – eine Bestätigung gebe es in diesem Fall aber noch nicht.
„Das, was zu erwarten war, ist eingetroffen“, erklärt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwochnachmittag sachlich vor der Presse. Dass das Virus auch NRW erreicht hat, überrascht ihn wenig. Die kommenden Tage müssten jetzt zeigen, ob die Eindämmung gelinge.
Der 47-jährige Erkrankte und seine Frau (46) wurden am Rosenmontag zunächst in einer Erkelenzer Klinik behandelt, in der Nacht zu Mittwoch dann in die Uni-Klinik der Landeshauptstadt verlegt. „Er ist beatmungspflichtig“, berichtet UKD-Infektiologe Dieter Häussinger. Immerhin habe sein Zustand sich über Nacht nicht verschlechtert. Der Zustand der Frau sei weniger kritisch.
Der Mann wurde wegen einer Vorerkrankung, die laut Häussinger allerdings „als ausgestanden gelten kann“, zuletzt zwei Mal in der Uni-Klinik Köln behandelt. Alle Mitarbeiter, die mit ihm Kontakt hatten, wurden laut Laumann freigestellt; Patienten würden isoliert. Das Paar suchte zudem in seiner Heimat zwei Arztpraxen wegen der Symptome seiner Coronavirus-Erkrankung auf – diese seien vorläufig geschlossen worden, das Personal befinde sich ebenfalls in häuslicher Quarantäne.
Das Paar habe „zwei Wochen am gesellschaftlichen Leben teilgenommen“, während es wohl bereits krank war, erklärt der Gesundheitsminister. Besonders kritisch: Die 46-Jährige ist Erzieherin und arbeitete bis zu den Karnevalstagen in einer Kindertagesstätte. Alle Kinder und ihre Eltern sowie die Kollegen seien angewiesen, zu Hause zu bleiben. Hilfsorganisationen, so Laumann, versorgten die Familien. Bei allen wurden Abstriche für einen Virustest gemacht, Ergebnisse sollen an diesem Donnerstag vorliegen.
Ob das Virus schon grassiert? „Wir sind keine Propheten“
Das gilt auch für die beiden schulpflichtigen Kinder des Paares, die keinerlei Symptome zeigen und bei ihrer Großmutter sind. Vorsorglich wurden alle Kitas und Schulen im Kreis Heinsberg bis einschließlich Montag geschlossen. „Eine reine Vorsichtsmaßnahme“, wie Landrat Stephan Pusch sagt. Das Paar habe noch eine Karnevalssitzung in Gangelt besucht, alle Besucher sollten möglichst Menschenansammlungen meiden und sich im Falle von Krankheitssymptomen telefonisch bei Arzt oder Gesundheitsamt melden. In Kontakt sei man auch mit den niederländischen Behörden, weil die Erkrankten dort – allerdings vor Auftreten der Symptome – zu einem Kurzurlaub waren.
Der Mann sei selbstständig, seine vielfältigen Geschäftskontakte arbeitet man derzeit noch ab. Der Verdacht, so Pusch, er habe sich mit dem Coronavirus bei einem Geschäftspartner angesteckt, der auch in China war, habe sich „nicht verifiziert“. Wie das Paar sich infizieren konnte, ist also weiter unklar. Auch die Frau könne man zurzeit nur sehr eingeschränkt befragen. Auf die Nachfrage, ob es sein kann, dass das Virus längst in NRW grassiert und wegen milderer Verläufe bislang bloß unerkannt blieb, antwortet Pusch: „Wir sind keine Propheten.“ Wir lebten in einem freien Land und könnten nicht einfach wie in China ganze Dörfer abriegeln. „Was wir tun können, haben wir gemacht.“
Im Kreis Heinsberg ist seit Dienstagabend ein Krisenstab im Dauereinsatz. Das Landesgesundheitsministerium hat jetzt zwei Experten des Robert-Koch-Instituts angefordert, um in NRW beratend zu unterstützen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe ihn angerufen und Hilfe zugesichert, sagt Landrat Pusch. Die Krankenhäuser der Region seien mit Anfragen zur jeweiligen Kapazität für Quarantäneplätze kontaktiert worden.
Laumann versichert, NRW sei für einen etwaigen Corona-Ausbruch gewappnet. „Wir sind ein Land mit einer gewaltigen Gesundheitsinfrastruktur. Wir werden in der Lage sein, den Menschen einen guten Schutz zu bieten.“ Auch Experte Häussinger mahnte, Grund zur Panik gebe es nicht. Er schätzt die Gefährlichkeit des Coronavirus ähnlich ein wie jene einer gewöhnlichen Grippe.