Vernehmungen des Beschuldigten 57-Jähriger tötet Fritz von Weizsäcker - Angreifer nennt Motiv

Berlin · Der Berliner Arzt Fritz von Weizsäcker hält einen Vortrag in einer Klinik, als ein Mann mit einem Messer auf ihn losgeht. Der Sohn des früheren Bundespräsidenten stirbt. Stückchenweise gibt die Polizei Details zum Angreifer bekannt.

Polizisten nahmen den Mann nach der Attacke auf von Weizsäcker fest.

Foto: dpa/Paul Zinken

Der tödliche Messerangriff auf den Arzt Fritz von Weizsäcker, Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, soll von einem 57-Jährigen verübt worden sein. Das teilte die Polizei am Mittwochmorgen auf Anfrage mit. Der Verdächtige sei vorher nicht polizeibekannt gewesen. Der Mann war kein Patient der Klinik, in der die Tat geschah. Das sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch dem Sender ntv.

Einem Bericht von „Spiegel Online“ zufolge hat der Täter im Rahmen einer Vernehmung sein Motiv genannt. Offenbar wollte der Beschuldigte sich an Richard von Weizsäcker rächen. Er werfe ihm vor, als Geschäftsführer des Chemiekonzerns Boehringer Ingelheim dafür verantwortlich gewesen zu sein, tödliche Giftstoffe für den Vietnam-Krieg geliefert zu haben. Weizsäcker war von 1962 bis 1966 Mitglieder der Geschäftsführung von Boehringer. Da der Vater jedoch 2015 verstarb habe er sich den Sohn als Opfer ausgesucht.

Das Motiv des Mannes liege in einer „wohl wahnbedingten allgemeinen Abneigung des Beschuldigten gegen die Familie des Getöteten“, begründete die Ermittlungsbehörde. Der 57-Jährige habe angegeben, die Tat geplant zu haben. Im Internet sei er auf den Vortrag in der Schlosspark-Klinik gestoßen, hieß es. Der Mann sei am Dienstag mit der Bahn zu der Veranstaltung gefahren. Zuvor habe er noch in Rheinland-Pfalz ein Messer gekauft, um damit am Abend die Tat zu begehen.

Im Anschluss an die Befragung soll der Mann nun in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden. Dies wolle man in Hinblick auf eine „akute psychische Erkrankung“ beantragen, teilte die Staatsanwaltschaft Berlin mit.

Verdächtiger kommt aus Rheinland-Pfalz

Die Berliner Polizei bestätigte am Mittag Medienberichte, wonach der Tatverdächtige aus Rheinland-Pfalz kommt. Der 57-Jährige habe dort seinen festen Wohnsitz und keinen in Berlin, sagte ein Sprecher der Berliner Behörde am Mittwoch auf Anfrage. Mit einem richterlichen Beschluss und Unterstützung der Kollegen in Rheinland-Pfalz werde die Wohnung des Mannes durchsucht. Die Ermittlungen dauerten an. Den genauen Einsatzort nennt die Polizei nicht.

Fritz von Weizsäcker war am Dienstagabend in der Berliner Schlosspark-Klinik erstochen worden. Der 59 Jahre alte Chefarzt hielt dort gerade einen medizinischen Vortrag, als kurz vor 19 Uhr ein Mann aus dem Zuschauerraum auf ihn losging, wie eine Polizeisprecherin sagte. Für den Mediziner kam jede Hilfe zu spät. Der Tatverdächtige wurde noch vor Ort festgenommen.

Die Polizei ermittelt laut der Sprecherin in alle Richtungen. Beamte sollen demnach auch die Familie von Weizsäckers dazu befragen, ob es Bedrohungen gegeben haben könnte. Ernst Ulrich von Weizsäcker erklärte, dass er keine Ahnung habe, was hinter dem Verbrechen stecken könnte. Er habe seinen Cousin noch kürzlich bei einer Familienfeier getroffen und sich sehr nett mit ihm unterhalten. Der Umweltwissenschaftler, der früher SPD-Bundestagsabgeordneter war, hat seinen getöteten Cousin Fritz mit warmen Worten gewürdigt. „Ich fand ihn ganz wunderbar“, sagte von Weizsäcker am Mittwoch in Berlin. „Ich habe ihn ungewöhnlich lieb gehabt.“

Polizist versuchte Angreifer aufzuhalten

Ein privat zu dem Vortrag gekommener Polizist des Berliner Landeskriminalamts wollte den Angreifer noch aufhalten. Der 33-Jährige wurde dabei schwer verletzt, er kam ins Krankenhaus. Mehrere von den etwa 20 Menschen im Publikum halfen laut Polizei, den Täter festzuhalten.

Von Weizsäcker hatte eine lange Karriere als Mediziner hinter sich. Nach Stationen in Freiburg, Boston und Zürich war er seit 2005 Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik. Von Weizsäckers Vater Richard von Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident der Bundesrepublik, zuvor Regierender Bürgermeister von Berlin.

Bestürzung über Attacke auf Chefarzt

Die Bundesregierung reagierte bestürzt auf die Tötung des Sohns des ehemaligen Bundespräsidenten. Dies sei "ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Die Anteilnahme der Bundeskanzlern und der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt geht an die Witwe und die ganze Familie." Auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, der tödliche Messerangriff auf von Weizsäcker sei "mit Entsetzen" zur Kenntnis genommen worden. Zu möglichen Schutzmaßnahmen für Angehörige früherer Bundespräsidenten wollte er auf Nachfrage keine Angaben machen. Kurz nach der Tat drückte FDP-Chef Christian Lindner im Kurzbotschaftendienst Twitter seine Trauer aus: "Mein Freund Fritz von Weizsäcker wurde heute Abend in Berlin erstochen. Ein passionierter Arzt und feiner Mensch. Neulich noch war er bei uns zuhause zum Grillen. Ich bin fassungslos und muss meine Trauer teilen. Einmal mehr fragt man sich, in welcher Welt wir leben."

Die Schlosspark-Klinik legte ein Kondolenzbuch aus. Die Mitarbeiter und die Teilnehmer des Vortrags erhalten der Klinik zufolge psychologische Unterstützung. Geschäftsführer Mario Krabbe erklärte, mit von Weizsäcker habe die Klinik "einen hervorragenden Arzt und überaus geschätzten Kollegen verloren".

(dpa/AFP)