Allein gelassenes Baby verdurstete: Mutter weist Mordvorwurf zurück
Eine junge Mutter ließ ihr Baby tagelang allein und feierte im Drogenrausch. Das Mädchen verhungerte und verdurstete. Nun muss sich die Mutter wegen Mordes verantworten. Sie sagt, sie habe ihre Tochter vergessen.
Arnsberg (dpa). Während die Mutter im Drogenrausch feierte, verhungerte und verdurstete ihre vier Monate alte Tochter. Die Frau hatte das Kind allein der Wohnung im westfälischen Soest zurückgelassen. Seit Dienstag steht die 22-Jährige vor dem Arnsberger Landgericht. Beim Prozessauftakt räumte sie ein, sich mehrere Tage lang nicht um den Säugling gekümmert zu haben. Den Mordvorwurf der Staatsanwaltschaft wies sie aber zurück. Sie habe nicht gewollt, dass das Mädchen stirbt.
Für einige Stunden habe sie im vergangenen Jahr zu einer Halloween-Party ins 50 Kilometer entfernte Münster fahren wollen. Zuvor habe sie ihre Tochter gewickelt und gefüttert. „Ich habe sie hingelegt und habe sie dann vergessen“, sagte die Frau mit leiser Stimme.
In einer Diskothek habe sie Drogen konsumiert und sei dann mehrere Tage im Rausch gewesen. „Ich habe für 300 Euro Ecstasy und Amphetamin gekauft“, sagte die 22-Jährige. Erst nach drei Tagen habe sie daran gedacht, dass ihre Tochter allein war. „Ich habe Angst gehabt, dass etwas passiert ist.“
Als sie zurück in die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus am Soester Stadtrand kam, war es schon zu spät. „Sie lag auf dem Bett und war tot.“ Sie habe sich zu ihrer Tochter gelegt und sei am nächsten Tag wieder nach Münster gefahren. Erst zwei Wochen später kam sie nach Soest zurück. Das tote Baby wurde schließlich entdeckt, weil einem Betreuer der 22-Jährigen Ungereimtheiten aufgefallen waren und das Jugendamt informiert hatte.
Die Angeklagte war zum Prozessauftakt mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze in den Schwurgerichtssaal geführt worden. Einsilbig und ohne große Gefühlsregungen beantwortete sie die Fragen des Gerichts.
Immer wieder betonte die junge Frau, dass sie den Tod ihrer Tochter nicht geplant habe. Doch der Vorsitzende Richter meldete wiederholt Zweifel an. Denn die Angeklagte hatte mehreren Menschen erzählt, dass ihre Tochter an einem Hirntumor leide und sterben werde. „In solchen Momenten wollte ich Aufmerksamkeit“, sagte die 22-Jährige vor Gericht. Bei einem Beerdigungsinstitut soll sie sich sogar mit einer Bekannten nach Beisetzungsmöglichkeiten erkundigt haben. „Das hat für mich schon etwas Gruseliges“, sagte der Richter.
Laut dem Gutachten eines Rechtsmediziners war das Mädchen wohl schon vor seinem Tod vernachlässigt worden. Der Gutachter hatte bei der Säuglingsleiche eine Unterernährung festgestellt, die darauf hindeute, dass das Mädchen schon etwa zwei Wochen lang nicht ausreichend versorgt worden war. Möglicherweise sei das Baby schon entkräftet gewesen.
Die Anklage wirft der 22-Jährigen Grausamkeit und niedere Beweggründe vor. Deshalb wollte das Gericht wissen, ob ein Tod durch Verdursten grausam sei. Der Rechtsmediziner bestätigte das. Durst sei zwar nicht schmerzhaft. „Aber wir als Erwachsene würden alles tun, um an Flüssigkeit zu kommen. Das kann ein Säugling ja nicht.“
Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Insgesamt sind sechs Verhandlungstage geplant. Ein Urteil will das Schwurgericht Anfang Juli sprechen.