Auf beiden Seiten Pferdestärken: Mit Reittieren auf Achse
Berlin (dpa/tmn) - Tiertransporte sind nicht nur für den Tierhalter eine anstrengende Angelegenheit, sondern auch für die Tiere selbst. Was man bei Anhängern und Fahrtstil beachten sollte.
„Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Mit dieser Prognose lag Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser, denkbar weit daneben. Heute übernehmen Pferde nur noch selten Transport-, dafür eher Sportaufgaben. Und wie jedes „Sportgerät“ müssen die Vierbeiner gelegentlich transportiert werden. Ohne Spezialanhänger geht das nicht. Beim Verladen und Fahren gibt es einiges zu beachten. Und: Nicht jeder darf jeden Anhänger ziehen.
„Wer die alte Führerscheinklasse 3 hat, der hat kein Problem, aber seit 1990 gibt es die Führerscheinklasse B, und die gilt nur für Gespanne bis 3,5 Tonnen“, sagt Kurt Bartels vom Fahrlehrerverband NRW. Knapp wird es mit der Klasse B dann, wenn der Trailer mehr als 750 Kilogramm wiegt, was zumindest mit zwei Pferden regelmäßig der Fall sein dürfte. „Die können so 2200 bis 2500 Kilo wiegen, dann ist man inklusive Zugfahrzeug schnell bei 3,5 Tonnen“, so Bartels. Nötig sei dann Klasse BE, mit der man Anhänger bis 3,5 Tonnen ziehen darf.
„Es gibt auch noch die Erweiterung der Klasse B namens B96“, ergänzt Florian Wolf vom Auto Club Europa (ACE). Die erlaube das Fahren eines Gespanns mit einem Gesamtgewicht bis 4,25 Tonnen. Doch auch das ist mit zwei Pferden und einem kräftigen Zugfahrzeug schnell erreicht, so dass vielleicht doch die Klasse BE notwendig ist.
Die Kosten für die Zusatzausbildung lassen sich laut Bartels nicht einheitlich beziffern, da sie stark vom Schüler abhängig seien. „Mit etwa 400 bis 500 Euro kann man im Allgemeinen rechnen“, sagt er. Gespann-Neulingen mit Klasse B empfiehlt Bartels, erst mal ein wenig Fahrpraxis zu sammeln. „Wer dann nach drei bis vier Monaten wiederkommt, kann die Kosten unter Umständen etwas reduzieren.“
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit Anhänger liegt bei 80 km/h. „Allerdings sind unter bestimmten Voraussetzungen 100 km/h möglich“, sagt Wolf. Dazu brauche das Zugfahrzeug ABS haben und der Anhänger eine Auflaufbremse sowie einen Hersteller-Eignungsnachweis. Dann bekommt man eine - nur in Deutschland gültige - Anhänger-Plakette.
Beim Fahren mit Pferd ist besondere Vorsicht geboten. „So ein Tier bewegt sich natürlich auch“, sagt Fahrlehrer Bartels. Fahrer müssten das enorme Gewicht der Pferde gerade in Gefahrensituationen wie etwa Ausweichmanövern berücksichtigen. Auch sonst gelte: „Vorausschauend fahren, ganz besonders langsam um die Kurven, weich bremsen und anfahren“, so Bartels. Das Pferd wisse nicht, „ob ich gleich abbiege, bremse oder beschleunige“ und könne sich nicht darauf einstellen. Bei Doppelanhängern, in denen nur ein Pferd mitfährt, dürfe man nicht vergessen, auf welcher Seite das Tier steht. „Da baut der Anhänger größere Kippmomente auf, das muss man beim Kurvenfahren beachten.“
Sei es in der Fahrschule oder in Anhängerkursen bei Automobilclubs: Auf den Umgang mit dem Pferd wird man dort nicht speziell vorbereitet. Doch auch das will gelernt sein. „Man muss ein Pferd systematisch an einen Anhänger gewöhnen“, sagt Markus Scharmann von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Es sei eben ein Fluchttier, bei dem es maßgeblich darauf ankommt, Vertrauen aufzubauen.
Ein weiterer Tipp: „Es kann helfen, ein junges Pferd gemeinsam mit einem erfahrenen Pferd an den Anhänger zu gewöhnen“, sagt Scharmann. Auch Futter gehört in den Anhänger. „Da habe ich dann einerseits den Herdentrieb und die positive Verstärkung durch das Futter, die zusammen wirken.“ Auch sollte der Anhänger mit Stroh oder Spänen ausgelegt werden. Das erinnere an den Stall und sei hygienischer.
Beim Verladen sollte man alles vermeiden, was Irritationen verursachen kann, also etwa laute Geräusche oder Wackeln, rät Scharmann. „Da sollte keine Stange klappern, und man sollte dafür sorgen, dass das Pferd nirgendwo gegen kommt.“
Wie jede Ladung müssen auch Pferde während des Transports gesichert werden. „Pferdeanhänger verfügen über vorgesehene Stellplätze, die ein bisschen den Bewegungsspielraum einschränken“, erklärt Scharmann. Zusätzlich bindet man das Pferd fest. „Wer das Festbinden wörtlich nimmt, hat aber eine falsche Vorstellung“, gibt er zu bedenken. „Das Anbinden muss so erfolgen, dass Hals und Kopf genügend Bewegungsfreiheit haben, damit das Tier sich ausbalancieren kann.“
Die Freiheit darf aber nicht so weit gehen, dass das Pferd sich umdrehen kann. Deshalb bindet man es am Halfter beidseitig links und rechts an, erklärt Scharmann. „Am besten verwendet man einen sogenannten Panikhaken, den man einfach lösen kann.“ Im Fall der Fälle kann man das Pferd so schnell aus dem Anhänger befreien.