„Auf sittlich niedrigster Stufe“
Vor allem für den Haupttäter Markus S. fand Richter Reinhold Baier deutliche Worte. Dass er die Tat tatsächlich bereut, nahm ihm das Gericht nicht ab.
München. Im Gerichtssaal sitzen die beiden jungen Angeklagten fast wie Musterschüler - artig gekämmt, ein dunkles Hemd verbirgt bei Markus S. die Tätowierungen. Minutenlang lassen sie das Blitzlichtgewitter der Fotografen über sich ergehen.
Sebastian L. beißt sich kurz auf die Lippen, Markus S. bleibt stehen, die Hände flach an den Körper gelegt. Fast genau vor einem Jahr, am 12. September 2009, war Dominik Brunner am S-Bahnhof Solln nach einer Schlägerei mit den beiden gestorben.
Mit langen Haftstrafen - neun Jahre und zehn Monate für Markus S., sieben Jahre für Sebastian L. - werden sie für ihre Tat büßen. Wenn nicht die von der Verteidigung angekündigte Revision dieses Urteil aufhebt.
Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar: Brunner wurde Opfer zügelloser Gewalt, weil er helfen wollte. Sein Handeln wurde zum Beispiel für Zivilcourage und Mut, er bekam posthum das Bundesverdienstkreuz.
"Er hörte nicht weg", charakterisierte der Vorsitzende Richter Reinhold Baier das Verhalten des Managers. Das sei für die Angeklagten ungewohnt gewesen. Es habe sie sehr geärgert, dass sie "von einem Wildfremden in ihre Schranken gewiesen wurden".
Brunner habe zwar als erster zugeschlagen - das sei jedoch aus Notwehr geschehen, als die Angeklagten "mit geballten Fäusten" auf ihn zugekommen seien, betonte Baier. Danach hätten die jungen Männer brutal auf Brunner eingeschlagen. Am Ende habe Sebastian L. aber Markus S. vom am Boden liegenden Brunner weggezogen. Damit begründete Baier das mildere Urteil gegen L.
Brunner hatte bereits aus der S-Bahn heraus die Polizei alarmiert. Trotz seiner Ermahnungen hätten die Angeklagten weiter gedroht, die Schüler auszurauben, und Brunner dabei mehrfach beleidigt, so Baier.
Zeugen hatten die Situation allerdings unterschiedlich gesehen. Während die einen in den Jugendlichen "Gangstertypen" sahen, empfanden andere die Situation nicht als bedrohlich. Ein S-Bahn-Zugführer sah sogar in Brunner den Angreifer. Diese Aussage ließ Baier nicht gelten.
Erst im Prozess war bekannt geworden, dass Brunner nicht an den 22 Verletzungen durch Schläge und Tritte starb, sondern an einem Herzanfall. Er war herzkrank, ohne es zu wissen. Allerdings hätten laut Gutachten zwei Tritte auch ohne die Erkrankung lebensgefährlich sein können.
Markus S. und Sebastian L. hatten beteuert, nie Brunners Tod gewollt zu haben. Es tue ihnen unendlich leid, bekräftigten sie. Markus S. allerdings verhielt sich nicht so. Während des Prozesses schrieb er Rap-Texte und malte - für die Staatsanwaltschaft ein Zeichen für sein Desinteresse.
"Ein von Reue und Schuldeingeständnis getragenes Geständnis konnte das Gericht bei ihm nicht feststellen", sagte Baier. "Sein Verhalten steht auf sittlich niedrigster Stufe." Wäre er erwachsen, hätte das Gericht eine lebenslange Haft verhängen müssen, so Baier.