DETMOLDER PROZESS Auschwitz-Überlebende fordert Angeklagten zu Augenkontakt auf
Im Auschwitz-Prozess hat der angeklagte ehemalige SS-Wachmann kurz seine verschlossene Haltung aufgegeben. Alte Dokumente und Bilder von ihm ließen den 94-Jährigen aufmerksam werden.
Detmold (dpa) Im Auschwitz-Prozess um einen ehemaligen SS-Wachmann hat am Mittwoch am Detmolder Landgericht eine Überlebende über ihr Schicksal in dem Todeslager berichtet. Die heute 87-jährige Hedy Blohm war als Jugendliche mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert worden. Die Eltern habe sie seit der Ankunft in Auschwitz nicht mehr wiedergesehen habe, berichtete sie. Sie selbst sei nach Monaten gemeinsam mit anderen Gefangenen zur Zwangsarbeit in eine Munitionsfabrik nach Fallersleben gebracht worden. Zuvor war die Gruppe offenbar schon zur Ermordung in der Gaskammer vorgesehen, der Befehl wurde aber vermutlich kurzfristig abgeändert, sagte ein Anwalt der Nebenklage.
Hedy Blohm, die heute in Kanada lebt, forderte im Gericht wie schon andere Zeugen den angeklagten Reinhold Hanning auf, ihr in die Augen zu sehen. „Haben Sie keine Angst mich anzuschauen“, sagte Blohm. Der 94-Jährige blickte aber auch dieses Mal nicht auf. Bewegung kam in den Angeklagten aus Lage im Kreis Lippe erst, als ein Ermittler des Düsseldorfer Landeskriminalamtes alte Dokumente und Bilder aus Hannings SS-Zeit an die Wand projizierte. Es waren sein sogenanntes SS-Stammblatt mit Daten über ihn und Fotos in Uniform aus den letzten Kriegsjahren. Hannings sagte aber nichts dazu.
Angeklagt ist der ehemalige Unterscharführer wegen Beihilfe zum Mord in 170 000 Fällen. Der LKA-Ermittler soll an einem der nächsten Verhandlungstage über die erste Vernehmung Hannings von 1994 in dessen Haus in Lage berichten. Die Verteidigung stellte noch im Gerichtssaal Strafanzeige wegen des Verrats von Privatgeheimnissen gegen Unbekannt. Nachdem ein Antrag auf ein Verwertungsverbot der Vernehmung gestellt worden sei, ist nach Befürchtung der Anwälte dieser Antrag mit Vernehmungsdetails vermutlich an einen Journalisten gelangt. Das sei strafbar, sagte Anwalt Andreas Scharmer.