Bewirbt sich Koch bald in Brüssel?
Spekulationen: Hessens Ministerpräsident soll als neuer EU-Kommissar im Gespräch sein. In Wiesbaden würde diese Lösung den Weg zur Großen Koalition ebnen.
Brüssel. Auf die Frage nach seinem Appetit auf einen Top-Posten bei der EU hat Roland Koch eine pfiffige Politiker-Antwort parat: Das sei ehrenvoll, dass man ihm zutraue, als nächster deutscher EU-Kommissar nach Brüssel zu ziehen.
Aber dann müsse man ihm auch genügend Professionalität zubilligen, Erkundigungen nach seinen Absichten ins Leere laufen zu lassen. Also: Die Antwort auf die Frage "Will er oder will er nicht?" bleibt bis auf weiteres unbeantwortet.
Oder, im Original-Ton des hessischen Ministerpräsidenten: Sein angebliches Interesse möge man "im Poesie-Album" vermerken. Auf einer Kandidaten-Liste sehe er sich nicht. "Sie werden damit leben müssen, dass ich nicht auf der Liste bin", erklärte der Chef der geschäftsführenden CDU-Regierung in Hessen beim jüngsten Besuch in Brüssel. Dort sei er gern.
"Aber ich finde es auch schön, abends in mein Land zurückzukehren." In den nächsten 18 Monaten sehe er da keine Situation, die ihn nötigen könnte, "die Verantwortung niederzulegen".
Nach einer Absage für alle Ewigkeit klingt das nicht, schließlich tritt die nächste Kommission erst im Herbst 2009 an. Und natürlich ist Koch zu clever, um zweierlei zu übersehen.
Erstens, dass frühe Bewerbungen auch besonders früh chancenlos sind; und zweitens, dass über die Nachfolge des SPD-Kommissars Günter Verheugen in einem Gemenge aus Interessen und Rücksichtnahmen entschieden wird, in dem die Absichten eines Möchtegern-Kandidaten die geringste Rolle spielen.
Klar ist: Brüssel könnte dem Land Hessen ein großes Problem abnehmen. Würde Koch nämlich zur EU "weggelobt", wäre das entscheidende Hindernis für eine Große Koalition aus dem Weg. Eine CDU/SPD-Verbindung ohne Koch wäre 2009 durchaus denkbar, und das Bundesland hätte endlich - zwei Jahre nach der Wahl - eine neue Regierung mit eigener Mehrheit.
Dass die Christdemokraten nach zwei Jahrzehnten Ansprüche auf einen Brüsseler Kommissarsposten anmelden, kann kaum überraschen. Wie SPD-Chef Kurt Beck dagegen halte, habe ihn "etwas verwundert", meinte Koch.
Martin Schulz dagegen, Sozialistenchef im Europäischen Parlament, lege in dieser Frage lobenswerten Realitätssinn an den Tag. Schulz habe den CDU-Versuch einer Frühbuchung des Brüsseler Postens in gedämpfteren Tönen gekontert und gesagt, die Sache werde später entschieden.
Jenseits von Personalfragen hat Koch, der in Brüssel unter anderem mit Verheugen, Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy und EU-Parlamentariern verabredet war, festgestellt, dass auch in der Landespolitik ohne die Berücksichtigung der EU nichts Großes mehr zu bewegen ist.
Der Blick nach Brüssel sei so wichtig wie der nach Berlin. Nicht alles, was er da sieht, gefalle ihm. Der Versuch etwa, den Bodenschutz EU-Standards zu unterwerfen, oder die Pläne, ein Mindestmaß an Schulsport vorzuschreiben, gingen zu weit.