Bio-Droge lockt Schüler

Der Erwerb der Kräutermischung "Spice" ist legal. Was den Rausch auslöst, ist unklar. Experten warnen vor dem Konsum.

Düsseldorf. Seit ein paar Wochen rennen die Kunden Thomas Morczynek die Türen ein. Er arbeitet in einem sogenannten Headshop in Düsseldorf, verkauft dort Wasserpfeifen - und "Spice". Die "exotische Geruchsmischung", wie es auf der Packung heißt, ist der Grund, warum täglich etwa 50 Kunden mehr als üblich bei Morczynek im Laden stehen.

"Beim Verbrennen entfaltet sich ein reiches Aroma. Genießen Sie das bezaubernde Aroma von Spice", wirbt ein adretter Werbeflyer an der Tür. Mit einem Räucherstäbchen hat die Mischung allerdings wenig zu tun: Die Käufer vermischen die getrockneten Pflanzenstücke mit Tabak und rauchen sie - ähnlich wie Cannabis. "Der Effekt ist vergleichbar", sagt Morczynek. "Die Geruchsmischung hat eine berauschende Wirkung." Auto fahren könne er nach dem Konsum nicht mehr. "Das sage ich auch den Kunden."

Ein Probe-Konsument klagt: "Ich konnte danach gar nichts mehr. Der ganze Körper war taub, ich konnte mich nicht artikulieren." Ein Placebo? Nein, das könne er sich nicht vorstellen.

Gesund hört sich das nicht an. Doch "Spice" ist legal. Theoretisch kommen schon 11-Jährige an den "Stoff", eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Es handelt sich ja "nur" um eine Kräutermischung - und keines der Kräuter fällt unter das Betäubungsmittelgesetz.

Damit ist auch die Polizei in diesem Fall nicht zuständig. Theoretisch könnte ein Konsument nach "der Zigarette" noch Auto fahren - bei einer Kontrolle wäre "Spice" nicht nachweisbar. Die Beamten, denen "Spice" durchaus bekannt ist, können nur warnen. "Wenn ich mich nicht wohlfühle, sollte ich generell keinen Wagen steuern", sagt ein Polizeisprecher.

Doch wodurch wird die berauschende Wirkung verursacht? Thomas Daldrup, Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der Uni-Klinik, untersucht die Zusammensetzung. "Ich kann weder sagen, dass ,Spice’ hochtoxisch ist, noch dass es absoluter Humbug ist", lautet sein vorläufiges Ergebnis.

Ursprünglich habe er damit gerechnet, Alkaloide nachweisen zu können, sagt Daldrup. Diese Stoffe können hypnothische Wirkung haben und werden auch in der Medizin eingesetzt. Damit wäre "Spice" eine pharmazeutische Zubereitung, der Hersteller müsste eine Zulassung beantragen. Doch dem ist nicht so. Nähere Recherchen zu den Inhaltsstoffen führen ebenfalls ins Leere.

Ebenso wie die Internetadresse der Herstellerfirma - die auf der Packung genannte Homepage existiert nicht. Selbst Daldrups amerikanische Kollegen scheinen "Spice" nicht zu kennen. Dort darf das "Kraut" nicht vertrieben werden. Warum? Man weiß es nicht. Daldrup kann nur weitersuchen. Er rät jedoch dringend, "Spice" nicht zu rauchen: Die Inhaltsstoffe seien nicht erforscht, auch gäbe es keine Langzeitstudien.

Niemand kontrolliere den Anbau der Pflanzen. Sie könnten mit giftigen Pestiziden behandelt worden sein. "Der Hersteller ist nicht bekannt, auf der Verpackung steht, dass ,Spice’ geräuchert werden soll. So kann niemand haftbar gemacht werden, wenn gesundheitliche Schäden auftreten." Auch Bernhard Jacob, Leiter der Düsseldorfer Drogenambulanz rät dringend vom Konsum ab: "Psychotrope Substanzen können bei einer entsprechenden Neigung Psychosen auslösen", sagt er.

Die Jugendlichen scheinen sich darum keine Gedanken zu machen. Joachim Alxnat, Geschäftsführer der Düsseldorfer Drogenhilfe, spricht von einem neuen Trend. "Die Schüler rennen den Shops die Türen ein." Tatsächlich scheint es zur Zeit Lieferschwierigkeiten zu geben - in vielen Läden ist "Spice" ausverkauft. Alxnat hält das für sehr problematisch. "Sie können Pilze schlucken und sich berauschen, auch das ist legal. Aber Spice wird offensiv vertrieben und an Minderjährige abgegeben."

Gleichgültig, was in Spice wirkt und wie es wirkt - er stellt sich eine ganz andere Frage. "Warum müssen Jugendliche sich berauschen? Das ist doch das, worum es eigentlich geht."