Brad Pitt: Melancholie steht ihm gut

Mit anspruchsvollen Rollen lässt der 43-Jährige das Image des blonden Schönlings hinter sich und überzeugt zunehmend als Darsteller schwieriger Charaktere.

Strähnig fettiges Haar, dunkler Schnäuzer, kalter Blick: So kennt man Brad Pitt eigentlich nicht. Als Jesse James lehrt er andere das Fürchten. Sein Lachen explodiert so plötzlich wie sein Revolver, den er auch nachts in der Hand hält. Er ist ein rastloser Einzelgänger, ein lebender Toter. Für seine Rolle als berüchtigter Outlaw erhielt der Schauspieler in Venedig den Darstellerpreis. Zu Recht.

Er gibt dem Gangster eine düster-melancholische Note, die auch Pitt selbst mit zunehmendem Alter - er wird dieses Jahr 44 - immer besser steht. Vielleicht entspricht sie seinem Naturell. Er besitze eine "angeborene Traurigkeit", ließ er jüngst verkünden. Mehr und mehr dekonstruiert er sein Image des oberflächlichen Schönlings.

Hinter dem Neo-Western steht Brad Pitt auch als Produzent, ein Part, den er mit seiner Produktionsfirma Plan B in den vergangenen Jahren immer öfter übernommen hat. Mit Erfolg widmet er sich Stoffen abseits des Mainstreams, wie zuletzt etwa Michael Winterbottoms "Ein mutiger Weg", in dem seine Lebensgefährtin Angelina Jolie die Hauptrolle spielt. Auch bei Martin Scorseses "Departed" zeichnete er als Produzent verantwortlich.

Brad Pitt hätte also eigentlich keinen Grund, traurig zu sein. Vom Model zum Superstar ging seine Karriere kontinuierlich nach oben. Doch nach wie vor zählen bei ihm für viele die Schauwerte, seine lässige Ausstrahlung, sein spitzbübisches Lächeln, seine enorme physische Präsenz, mit der er andere an den Rand der Szenerie drängt. Über seine Schauspielkunst verlieren nur wenige ein Wort.

Dabei beweist der 43-Jährige immer wieder ein glückliches Händchen in der Auswahl seiner Filme. Der bereits zweimal vom Peoples-Magazine zum "sexiest man alive" gewählte Blonde brilliert gerade in solchen Rollen, in denen er nicht den gestählten Sunnyboy gibt.

Als lässiger Tramper in "Thelma und Louise" führt er 1991 erstmals seinen Waschbrettbauch vor. Genau diese Optik will das Publikum sehen, und Pitts Agenten nähren mit Rollenauswahl und Fotostrecken in Illustrierten das Klischee vom blonden Naturburschen.

Am hilflosesten agiert Pitt immer dann, wenn er genau in diese Ecke gedrängt wird, etwa als langhaariger Lover in "Legenden der Leidenschaft" (1994) oder als Verkörperung des Todes in "Rendezvous mit Joe Black" (1998). Selbst als Robert-Redford-Verschnitt in "Aus der Mitte entspringt ein Fluß" (1992) kann er nicht punkten. Solche Rollen zementieren das fade Image des Goldjungen, gegen das er immer noch schwer ankommt.

Dabei kämpft Pitt bewusst gegen das Rollenbild. Etwa in "Kalifornia" (1993), wo er bravourös einen degenerierten Killer mimt. Auch als Psychopath in "Twelve Monkeys" (1995) beweist er Mut zur Hässlichkeit und wird mit einer Oscar-Nominierung belohnt. In "Snatch" (2000) liefert er eine seiner bisher besten Leistungen: Als durchgeknallter Gypsie-Boxer setzt er den fiesen Schmuddeltypen gegen das Image des Saubermanns. Gerade schräge, kaputte Charaktere scheinen ihm zu liegen.

Sicher verdankt er seinen Weg in die Riege der Topstars auch den Regisseuren, die in ihm mehr sehen als den flachen Schönling. Wie etwa David Fincher, der ihn in "Sieben" (1995) auf die düstere Suche nach einem Serienkiller schickt und in "Fight Club" (1999) trotz der physischen Komponente des Films das dunkle, destruktive Alter-Ego des Protagonisten spielen lässt. Cooler als Pitt kann niemand anderen die Visage polieren oder Pistolen halten, als seien es rote Rosen für die Liebste.

Den Weg in die Designeranzüge und in die passend konfektionierte Lässigkeit ebnete ihm Steven Soderbergh. In "Ocean’s Eleven" (2001), "Ocean’s Twelve" (2004) und "Ocean’s 13" (2007) zeigt sich Pitt als klug zurückgenommener Partner ebenfalls an George Clooneys Seite - für einen Regisseur ein Traumgespann, das mit seinem charmanten Geplänkeln die Mängel des Drehbuchs locker überspielt.

Als Achill in Wolfgang Petersens "Troja" (2004) kehrt er zwar anschaulich die melancholisch-grüblerische Seite des Halbgotts heraus, doch auch hier zählt wieder mehr die Körperlichkeit, die ihn in starken Kontrast zu manch anderen, weicheren Leinwandhelden wie etwa Hugh Grant oder Johnny Depp setzt. Der Körper als Fluch und Kapital.

In "Mr. & Mrs. Smith" (2005) lässt es Pitt als Top-Agent wieder mächtig krachen. Beim Dreh zu dem Actionfilm lernt er Angelina Jolie kennen, mit der er nun offensichtlich auch seinen Familiensinn entdeckt. Mit ihr hat er ein gemeinsames und drei adoptierte Kinder. Vatersein sei zwar anstrengend "und Schlaf eigentlich nicht vorhanden", aber er könne es jedem nur empfehlen, sagte er in Venedig.

Einen Familienvater spielt Pitt auch in "Babel", seinem einzigen Film, mit dem er 2006 auf der Leinwand erschien. In Alejandro González Inárritus Parabel auf das globale Nichtverstehen der Menschen brilliert Pitt als verzweifelter, grauhaariger Mann, dessen Frau in Marrokko zufällig angeschossen wird. Diese reife Leistung wird mit einer Nominierung für den Golden Globe ausgezeichnet. "Jesse James" könnte ihm wieder eine Nominierung bringen - vielleicht reicht es ja diesmal auch für einen Oscar.