Brandkatastrophe: Konflikt zwischen Berlin und Ankara

Nach dem Brand in Ludwigshafen verschärft sich der Ton der türkischen Presse und Politik. Innenminister Wolfgang Schäuble kritisiert die Reaktionen aus der Türkei nach dem Unglück von Ludwigshafen.

Berlin/Ludwigshafen. Nachdem Brandstiftung bei der Feuerkatas-trophe in Ludwigshafen nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wird nicht nur der Ton in der türkischen Presse immer schärfer. Auch das politische Verhältnis zwischen Berlin und Ankara ist angespannt. Zwar hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einer ersten öffentlichen Reaktion das Ansinnen der türkischen Regierung, eigene Ermittler nach Ludwigshafen zu entsenden, noch ausdrücklich begrüßt. Türkische Zeitungen berichten jedoch, dass Schäuble noch am Dienstag beim Treffen mit dem für Auslandstürken zuständigen Staatsminister Mustafa Said Yazicioglu dessen Wunsch vergeblich zu blockieren versucht habe. Die türkische Presse berichtet, das Treffen habe in einer "gespannten Atmosphäre" stattgefunden, und Yazicioglu habe gedroht, anderenfalls könne "eine Eskalation der Lage" entstehen.

Schäuble will dem türkischen Botschafter "Manieren beibringen"

Schäuble, der darauf dem türkischen Drängen nachgab, räumte am Mittwoch in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" die Differenzen ein. Das türkische Misstrauen gegenüber den deutschen Polizeibehörden sei unbegründet, so der Minister, der zugleich die türkische Presse scharf angriff, für die ein fremdenfeindlicher Hintergrund schon festzustehen scheint: "Das ist eine Diskriminierung von Deutschen. Wir sind nicht das Volk, das Brandsätze wirft auf Türken." Die Verärgerung Schäubles bekam dabei besonders der türkische Botschafter in Berlin zu spüren: "Manchmal muss man auch Botschaftern Manieren beibringen." Das werde er dem Botschafter in Kürze auch selbst sagen. Der türkische Botschafter Irtemcelik hatte zuvor SPD-Chef Kurt Beck kritisiert, der unmittelbar nach der Brandkatastrophe davon gesprochen hatte, es gebe keinen Hinweis auf eine fremdenfeindliche Tat. Die Äußerungen von Beck stießen auch bei islamischen Organisationen in Deutschland auf Unverständnis. Es sei angebracht abzuwarten, wie die Untersuchung ausgehe, sagte Burhan Kesici, Generalsekretär des Islamrates.

Türkischer Minister besucht mit Böhmer den Unglücksort

Am Mittwoch versuchten Vertreter beider Regierungen, die Wogen zu glätten. Bei einem Besuch am Unglücksort in Ludwigshafen rief Yazicioglu seine Landsleute in Deutschland zur Besonnenheit auf. Die deutschen Ermittler täten alles, um die Brandursache zu klären, sagte der Minister türkischen Fernsehsendern. "Auch die Deutschen sind wegen der Ereignisse aufgebracht", ergänzte er. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, die gemeinsam mit Yazicioglu Kränze zum Gedenken an die Opfer der Katastrophe niederlegte, versicherte: "Wir setzen alles daran, dass es zu einer zügigen Aufklärung der Ursache des Brandes kommt." In den kommenden Tagen will auch der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan den Brandort besuchen. Dies habe die türkische Seite angekündigt, teilte der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Martin Stadelmaier (SPD), am Mittwoch mit. Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht. Erdogan reist dieser Tage ohnehin nach Deutschland, um unter anderem an der Münchner Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende teilzunehmen. Stadelmaier sagte, er stufe es nicht als Misstrauen der Türkei ein, dass sie eigene Ermittler zum Brandort schicke: "Wir empfinden das nicht so." Seines Wissens sollten vier türkische Experten in Ludwigshafen in die Arbeit der 50-köpfigen Sonderkommission integriert werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte dagegen mit Befremden auf den Wunsch der Türkei, sich an den Ermittlungen zu beteiligen. "Es gibt für niemanden den geringsten Anlass, der deutschen Polizei zu misstrauen", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. "Die türkischen Beamten sind Beobachter und können sich von der professionellen Arbeit unserer Polizei überzeugen."

Presseecho in der Türkei

Top-Thema: In der türkischen Presse war der verheerende Brand von Ludwigshafen mit neun Toten auch am Mittwoch das Top-Thema. Eine Vielzahl türkischer Zeitungen machten das Unglück erneut zum Titelthema. "Milliyet" stellte die Frage "Wer kann das verantworten?" und kritisierte, dass die deutschen Medien dem Vorfall nur geringe Beachtung schenkten und weitgehend kommentarlos wiedergäben. Die konservativ-islamische "Türkiye" titelte "Sie haben uns schon wieder verbrannt". Die Vermutung, dass es sich bei dem Feuer nicht um einen Unfall, sondern um Brandstiftung handle, sei immer wahrscheinlicher. Drohungen: Die Zeitung "Zaman" meldete unter Berufung auf Angehörige der Opfer in der Türkei, vor dem Brand habe es rechtsradikale Drohungen gegen die türkischen Hausbesitzer gegeben. Die Familie sei nach ihrem Einzug in das Haus von jungen deutschen Rechtsradikalen bedroht worden. Sie habe diese Drohungen aber nicht ernst genommen. Mehrere türkische Zeitungen berichteten zudem, dass in der Nähe des Brandortes ein türkenfeindlicher Spruch an eine Wand gesprüht worden sei. Polizist: Das Massenblatt "Sabah" machte darauf aufmerksam, dass das Haus bereits vor zwei Jahren von Unbekannten angezündet worden sei. Zudem berichtete die Zeitung, dass das Baby, das von seinen Eltern während des Brandes aus dem Fenster geworfen wurde, von einem türkischstämmigen Polizisten aufgefangen worden sei.