Briefmarke „British Guiana“ könnte teuerste der Welt werden

New York (dpa) - Auf schwarzem Samt gebettet liegt das wertvolle Stück auf einem Sockel hinter Sicherheitsglas. Ein kleines Fetzchen Papier, nicht viel größer als ein Daumenabdruck.

Briefmarke „British Guiana“ könnte teuerste der Welt werden
Foto: dpa

Und doch herrscht in dem abgedunkelten Raum im obersten Stockwerk des Auktionshauses Sotheby's an der New Yorker Upper East Side geradezu andächtige Stille. „Psssssst“, raunt Manager David Redden den Journalisten und Schaulustigen zu, bevor er mit gesenkter Stimme das Schwärmen wieder aufnimmt. „Für Sammler ist das der Mount Everest der Briefmarken. Für mich hat diese Marke eine unglaubliche emotionale Bedeutung, schon mit acht Jahren wusste ich alles darüber und sie stellte für mich die absolute Summe aller großartigen Objekte dar.“

Der Anlass für all die Schwärmerei, der kleine Fetzen Papier auf dem Sockel, ist die „British Guiana 1c magenta“. Die Briefmarke, wohl 1856 in der damaligen britischen Kolonie British Guiana in Südamerika herausgegeben, könnte bei einer Auktion in der kommenden Woche bis zu 20 Millionen Dollar (etwa 14,7 Millionen Euro) einbringen und damit zur bislang teuersten Marke der Welt werden.

„Jedes Mal wenn diese Briefmarke bislang versteigert wurde, hat sie einen neuen Weltrekord aufgestellt“, sagt Redden bei der offiziellen Vorstellung der Marke am Montag. „Schon der niedrigste Schätzpreis von zehn Millionen Dollar ist genau eine Milliarde mal soviel wie der Originalpreis der Marke von einem Cent. Schon bei zehn Millionen Dollar wäre es dann das teuerste Objekt der Welt, wenn man nach dem Gewicht geht.“ Bislang gilt die schwedische „Tre Skilling Banco“ aus dem Jahr 1855 als teuerste Briefmarke der Welt. Der einzige Fehldruck der Marke - gelb statt grün - wurde 1996 in der Schweiz für 2 875 000 Franken (rund 1,8 Millionen Euro) verkauft.

Für Laien wirkt das Objekt der Begierde auf den ersten Blick erstmal schwer zu entziffern. Die Vorderseite ist dunkelmagenta mit schwarzem Druck und Kritzeleien, die Hinterseite etwas verblassteres Magenta mit noch mehr Stempeln und Kritzeleien. Eigentlich müsse eine wertvolle Briefmarke natürlich in allerbestem Zustand und ohne Stempel sein, sagt Redden. Aber bei der „British Guiana 1c magenta“ spiele das überhaupt keine Rolle. „Wenn es um eine einmalige Briefmarke geht, wird der Zustand unwichtiger, denn dann hat man ja die einzige auf der ganzen Welt.“

Außerdem erzählten die Stempel und Kritzeleien in diesem Fall die Geschichte der Briefmarke - und machten sie deshalb noch wertvoller. Auf der Vorderseite sei neben dem Aufdruck eines Bootes eine große schwarze Unterschrift zu sehen. „Die Marke wurde eher grob gemacht und der Postchef hatte Angst, dass Menschen sie fälschen könnten. Deshalb hat er jedes einzelne Exemplar von einem Postmitarbeiter signieren lassen.“ Tausende Exemplare könnte es einmal gegeben haben, jetzt ist aber dem Auktionshaus zufolge nur noch diese eine übrig. Deren Echtheit habe die Königliche Philatelistengesellschaft in London bereits zweimal bestätigt.

Die Rückseite der Briefmarke, also der Teil, der ansonsten hauptsächlich angeleckt und aufgepappt wird, sei in diesem Fall sogar fast noch faszinierender, sagt Redden. „Sie enthält die Fußspuren von so gut wie jedem Besitzer, den die Marke einmal gehabt hat.“ Entdeckt wurde das Stück einst der Legende nach wohl von einem 12-jährigen Schüler, der 1873 in den Schränken und Schubladen seiner Familie gekramt hatte. „Die Entdeckung ist eine der großen Legenden unter Briefmarkensammlern“, sagt Redden verschwörerisch. Klar ist nur: Danach geriet sie irgendwie in die Sammlung des Österreichers Philippe von Ferrary, der als einer der bedeutendsten Briefmarkensammler aller Zeiten gilt und sich gleich zweimal auf der Rückseite verewigte.

Von Ferrary starb 1917 und vermachte seine Sammlung dem deutschen Postmuseum. Die Franzosen beschlagnahmten sie nach dem Ersten Weltkrieg jedoch gleich wieder. Bei einer Auktion 1922 soll auch der britische König George V. mitgeboten haben („Es war die einzige große koloniale Briefmarke, die ihm noch fehlte.“), aber die „British Guayana“ ging an einen US-Millionär und blieb danach für Jahrzehnte in den Händen von US-Millionären. Zuletzt gehörte sie dem Chemie-Magnaten John du Pont, der 2010 im Gefängnis starb, wo er eine Strafe wegen Mordes absaß. Seine Nachfahren haben die Marke jetzt zur Auktion freigegeben.

Das Interesse sei nun riesig, sagt Redden. „Als erstes braucht man natürlich einen ziemlichen Reichtum, um bei der Auktion mitzumachen. Mögliche Käufer könnten Briefmarkensammler sein, aber es gibt auch Sammler, die einfach von allem das beste haben wollen, und dieses teure Objekt zu besitzen heißt wirklich, den Mount Everest erklommen zu haben.“ Der glückliche Käufer müsse dann aber natürlich auch gut darauf aufpassen. „Man muss sehr vorsichtig mit der Marke sein. Sie sollte nicht bei einem Kindergeburtstag herumgereicht werden.“