Brustimplantat-Skandal: Der tiefe Fall des Monsieur Mas

Ab heute steht Jean-Claude Mas in Marseille vor Gericht — seine Firma PIP produzierte massenhaft gefährliche Silikonkissen.

Marseille. Diesen Tag haben mehr als 5000 Frauen in Frankreich lange herbeigesehnt: Von heute an muss sich der Unternehmer Jean-Claude Mas (73) vor einem Strafgericht in Marseille wegen „schwerer Täuschung“ verantworten. Dem Gründer der Firma „Poly Implante Prothèse“ (PIP) wird vorgeworfen, mangelhafte Brustimplantate aus billigem Industriesilikon hergestellt und vertrieben zu haben. Viele Opfer klagen über Schmerzen, weil die Implantate rissen und Silikon in die Brust gelaufen ist. Andere werden von Alpträumen geplagt, weil sie das Gefühl haben, tickende Zeitbomben im Körper zu haben.

PIP, diese Abkürzung steht heute für einen der größten Medizinskandale der letzten Jahrzehnte. Bald zwanzig Jahre zuvor hatte PIP für etwas ganz anderes gestanden: für die wunderbare Erfolgsstory eines schillernden Selfmademannes aus der südfranzösischen Provinz.

Bevor Jean-Claude Mas in den 90er Jahren zum gefeierten Firmenboss aufsteigt, hatte er seine Brötchen als Vertreter verdient. Am Fuße der Pyrenäen verhökert er nach der Rückkehr aus dem Algerien-Krieg alles Mögliche: Wein und Cognac, Versicherungspolicen, Medikamente und Reinigungsgeräte für Praxen.

Mas’ Karriere nimmt erst richtig Fahrt auf, als er 1982 die Kauffrau Dominique Lucciardi kennenlernt. Diese führt die Geschäfte eines Familienunternehmens, das sich auf Brustprothesen spezialisiert hatte. Sie wird seine Lebensgefährtin und Mutter seiner beiden Kinder. Bald übernimmt Mas ihre Geschäfte.

Seinen Mitarbeitern erscheint er wie ein Tausendsassa, der alles beherrscht und dem alles gelingt: Forschung und Entwicklung ebenso wie Produktion und Vertrieb. Eine halbe Million Implantate wird Mas verkaufen — in 65 Länder. Die Zahl seiner Mitarbeiter schnellt von fünf auf 120 in die Höhe, und ihnen gegenüber brüstet er sich als die „Nummer eins“ in der Welt.

Dass er obendrein schmutzige Geschäfte auf Kosten verzweifelter Frauen machte, zeichnete sich bereits 1999 ab. Als sich Patienten in den USA beschwerten, verbannte die US-Gesundheitsbehörde die PIP-Kissen im Jahr 2000 vom lukrativen amerikanischen Markt. Auch in Europa kam PIP ins Gerede, weil die Kissen rissen oder „ausschwitzten“. Aber noch zehn Jahre sollten vergehen, ehe die französischen Behörden Mas die Lizenz entzog. Der Prozess dauert voraussichtlich bis zum 17. Mai.