Chaosstunden nach Ferienbeginn

Die Schulen leer, die Straßen voll: Nordrhein-Westfalen startet mit den erwarteten Staus in die Ferien.

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Leverkusen. In der Kommandozentrale über den Verkehr in Nordrhein-Westfalen schrumpft das Bundesland radikal zusammen. Es braucht nur drei Schritte, dann ist man vom Rheinland nach Westfalen gegangen. In diese beiden Bereiche hat der Landesbetrieb Straßen.NRW den Schaltraum seiner Verkehrszentrale in Leverkusen aufgeteilt, aus der der gesamte Verkehr auf den wichtigsten Verkehrsadern im Land überwacht wird. Links beobachten Mitarbeiter auf zig Bildschirmen die Straßen im Rheinland, rechts Westfalen. Große Fenster gibt es nicht, Tageslicht: Fehlanzeige. Es ist ziemlich still. Ein bisschen erinnert es an die Kommandobrücke im Raumschiff Enterprise.

So klar und steril die Verhältnisse in dem Zweckbau am gestrigen Freitag auch sein mögen — draußen auf den Straßen sind sie es nicht. Denn draußen, vom Rheinland bis Westfalen und überall sonst in NRW, schließen die Schulen und die Ferien beginnen. Viele Familien fahren direkt los in den Urlaub. Das heißt: massig Verkehr, potenzielles Chaos, erhöhte Staugefahr. Als Nadelöhr gilt etwa die Autobahn 1, eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen, im Bereich Dortmund/Unna. Oder die A3 von Köln durch das Ruhrgebiet in Richtung Niederlande.

„Der Freitag ist wirklich der Tag mit dem Hauptreiseverkehr — in Überlagerung mit dem Berufsverkehr“, sagt Ingo Menzel, Abteilungsleiter der Verkehrssteuerung. Auf den Monitoren hinter ihm werden die Autobahnen schematisch dargestellt oder auf einem Video gezeigt. Aus dem ganzen Land, von rund 2200 Kilometern Bundesautobahn und rund 4450 Kilometern Bundesstraßen, laufen Informationen ein — 50 000 pro Minute werden verarbeitet. Vor allem im Kölner Bereich stieg die Zahl der Fahrzeuge am Freitagnachmittag deutlich an, sagte ein Sprecher von Straßen.NRW am Abend.

Das WDR-Verkehrsstudio berichtete am Nachmittag auf Twitter, dass es auf der A2 Richtung Hannover und Berlin deutlich länger dauerte. „Gesamt gut 1,5 Stunden plus! Einmal zwischen Vlotho und Bad Oeynhausen und dann nochmal zwischen Rehren und Bad Nenndorf.“ Um 16.30 Uhr dann zur Aufheiterung ein kleines Gedicht: „Bei Vlotho-West hängt ihr gerade fest - Zwangspausen auch bei Oberhausen, aus Lüdenscheid-Nord kommt man nicht fort - auch bei Köln-Poll ist es voll - und wer einen Reim auf Bochum weiß, bekommt einen Preis!“ Das WDR-Verkehrssstudio zählte zwischendurch eine Gesamtlänge von gut 300 Kilometer aller Staus in NRW. Am Freitagabend war dann aber bereits die erste große Reisewelle durch: „Mittlerweile hat auch die Verkehrslage eingesehen, dass der #Freitagabend zur Entspannung da ist! Nur noch 107 Gesamtkilometer in #NRW - und es wird kontinuierlich weniger.“

Die Verkehrszentrale des Landesbetriebs Straßen.NRW in Leverkusen versucht mit verschiedenen Werkzeugen den Verkehr so flüssig wie möglich zu halten. Mit Umleitungshinweisen auf Tafeln. Mit Ampeln, die Autos gleichmäßig auf eine Autobahn auffahren lassen. Oder, indem sie einen Seitenstreifen freigibt. Zu Ferienbeginn wird auch darauf verzichtet, irgendwo eine Baustelle aufzumachen, die nicht aus Sicherheitsgründen notwendig ist.

Ein komplett staufreies NRW an einem Freitag mit Ferienbeginn gehört dennoch in das Reich der Utopien. Auch wenn es mal heftiger und mal weniger heftig kommt, wie die Erfahrung zeigt. Das liegt mitunter an den Prognosen selbst. Fallen sie besonders drastisch aus, versuchen mehr Leute, die vorhergesagten Stoßzeiten zu umfahren. Auch an den Flughäfen wollten bereits viele Urlauber in die Ferien starten.

NRW ist allerdings auch ganz ohne Ferienstart das Stauland Nummer eins in Deutschland. Nach ADAC-Angaben stauten sich Autos im vergangenen Jahr auf knapp 455 000 Kilometern Länge — 17 Prozent mehr als im Jahr 2016 und so viele wie nie zuvor.