Charlotte Roche: Stars nerven irgendwann nur noch

Interview: Charlotte Roche hat das Pop-TV hinter sich gelassen und macht nun lieber bodenständige Sendungen.

Düsseldorf. Frau Roche, mit Ihrem Buch "Feuchtgebiete" haben Sie im Frühjahr für Diskussionen gesorgt. Ihre Sendereihe auf 3sat ist dagegen komplett jugendfrei.

Roche: Ja, wir stellen schwierige Berufe vor und hatten am Anfang natürlich die Idee, dass ich auch eine Prostituierte besuchen könnte. Wegen des Buchs dachten wir uns aber, dass es jetzt mal gut ist mit dem Thema Sex.

Welcher Job war der schwerste?

Roche: Nach dem Bestatter-Dreh ging es mir richtig schlecht, das war mir an die Nieren gegangen. Eine der härtesten Sachen war auch der Einsatz bei den Altenpflegern, weil wir uns alle viel zu selten mit diesem Thema beschäftigen. Keiner will wissen, dass man irgendwann einen alten Körper bekommt und verrückt im Kopf wird.

Mussten Sie auch eigene Vorurteile revidieren?

Roche: Ja, bei den Jägern. Ich bin mit dem Gedanken groß geworden, dass diese Leute alle rechts sind und scharf darauf, zu töten. Der Jäger, mit dem ich unterwegs war, war aber der totale Öko und hat mir erzählt, dass die Jäger eigentlich die Tiere schützen. Dann sitzt man da mit großen Augen und denkt: Ach so!

Hatten Sie sich denn vorher nicht über die jeweiligen Themen schlau gemacht?

Roche: Nein, das Konzept sah vor, dass ich unvorbereitet reingehe und einfach frage, was mich interessiert und was sich ergibt. Das mag ich zum Beispiel bei Talkshows nämlich gar nicht, wenn der Moderator einen ganz toll vorbereiteten Fragenkatalog mitbringt, aber man nicht das Gefühl hat, dass ihn das Ganze persönlich interessiert. Es wurde auch keine Szene zweimal gedreht, damit es natürlich ist.

Wie krass war der Gegensatz zwischen Ihrem Einsatz als Praktikantin in diesen Jobs und der glamourösen Welt, in der Sie sich früher als Viva-Moderatorin bewegt haben?

Roche: Das war etwas Bodenständigeres und tatsächlich sehr befriedigend. Ich musste meistens um vier Uhr aufstehen und den ganzen Tag hart arbeiten. Bei den Müllmännern taten mir abends die Beine und die Füße weh. Am Ende des Tages war ich sehr müde, aber auch sehr glücklich und dachte mir: Toll, jetzt hab ich ganz Duisburg den Müll weggebracht. Bei einem Musiksender hat man irgendwann einfach die Schnauze voll davon, immer Stars zu interviewen. Es geht dann immer nur um die neue CD, man sitzt ewig in Hotels rum und wartet, das ist auf Dauer wahnsinnig langweilig. Kein Star ist so groß, dass man sich noch freut, wenn man Kylie Minogue, David Bowie oder Mick Jagger schon mal getroffen hat. Die Leute denken ja auch, dass von dem Glamour irgendwas auf einen abfärbt, aber die Prominenten lassen ja nicht aus Versehen ein Bündel Geld im Studio liegen oder so.

Wie sind Sie überhaupt bei 3sat gelandet?

Roche: Ich habe die Redaktion kennen gelernt, als ich letztes Jahr für 3sat die Berlinale moderiert habe. Ich hatte vorher sehr schlechte Erfahrungen mit dem Fernsehen gemacht. Denn ich habe einen großen Freiheitsdrang und will selber bestimmen, was gesagt und wer eingeladen wird, und wenn mir dazwischengeredet wird und ich nicht mein Ding machen kann, artet das meistens in großen Streit aus. Dann schmeiße ich hin und gehe. Das ist bei 3sat nicht so.

Was macht Ihre Schriftstellerkarriere?

Roche: Ich arbeite derzeit schon an einem neuen Buch. Aber da bin ich abergläubisch und will nichts verraten, nicht mal ob es ein Sachbuch, ein Theaterstück oder eine Familientragödie wird. Aber es wird jedenfalls nicht "Feuchtgebiete 2".