Cleopatra wütet auf Sardinien

Mindestens 18 Menschen sterben auf der Ferieninsel. Experte sieht die Regenfälle nicht als eine direkte Folge des Klimawandels.

Cagliari. Die Fluten haben alles mitgerissen: Autos, Brücken und halbe Häuser. Die Unwetterfront „Cleopatra“ stürzte Sardinien über Nacht ins Chaos. Die Zahl der Toten stieg fast stündlich, mindestens 18 waren es bis zum Abend. Hunderte mussten ihre Wohnungen verlassen. „Wir schauen, wo wir sie in der Nacht unterbringen“, sagte der Präsident der Region, Ugo Cappellacci. „Die Situation ist wirklich dramatisch. In diesem Moment gibt es nur immensen Schmerz.“

Durch die Straßen der besonders getroffenen Stadt Olbia im Norden ergossen sich schmutzigbraune Sturzbäche, darin schwamm Hausrat. Mancherorts standen Feuerwehrmänner bis zur Brust im Wasser — und das ganze Ausmaß der Schäden ist noch gar nicht absehbar.

Italien steht vor einer Herkulesaufgabe. Premier Enrico Letta sprach von einer „nationalen Tragödie“. Die Regierung rief den Ausnahmezustand aus und stellte 20 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung. Der Chef des Zivilschutzes, Franco Gabrielli, reiste in das Katastrophengebiet, um die Arbeiten der zu hunderten eingesetzten Helfer zu koordinieren.

Wo das Wasser abfloss, blieben Trümmer: „Rai News“ zeigte Bilder eines Firmengebäudes, von dem die Flut eine ganze Ecke weggerissen hatte. Trümmer, darüber wenigstens kurz strahlende Sonne und blauer Himmel — ein gespenstisches Bild. Zumeist setzten die Rettungskräfte ihre Arbeit aber bei neuen Regenfällen fort. Italienische Reporter sprachen davon, dass sich das Klima immer mehr dem in den Tropen anzunähern scheine — wieder fragen die Menschen: Ist das jüngste Unwetter eine Folge des Klimawandels?

„Das Ereignis kann nicht als direkte Folge des Klimawandels angesehen werden“, sagt Meteorologe Bernhard Mühr vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Karlsruhe. „Der Verdacht liegt aber nahe, dass das Potenzial für heftige Wetterereignisse in einem wärmeren Klima zunimmt.“ Allerdings kämen immer mehrere Faktoren zusammen. Etwa habe sich der Starkregen einige Stunden lang über demselben Gebiet gehalten, und auch die Strömungsverhältnisse in den oberen Schichten der Atmosphäre spielten eine wichtige Rolle.

„Mit Sicherheit fiel innerhalb weniger Stunden mehr Regen als sonst im ganzen Monat, etwa in Olbia, möglicherweise lokal sogar ein Vielfaches der üblichen Monatsmenge“, sagt Mühr. In Olbia wurden 93 Liter Regen auf den Quadratmeter binnen zwölf Stunden gemessen. „Wahrscheinlich sind im Bergland sogar mehrere hundert Liter Regen niedergegangen.“ Üblicherweise beträgt der Niederschlag auf Sardinien im ganzen November 76 Liter pro Quadratmeter.

Noch gibt es keine Entwarnung für die Menschen auf Sardinien: „Das Tiefdruckgebiet bleibt bestehen und regeneriert sich immer wieder“, sagt Mühr. „Auch für Sardinien können weitere kräftige Regenfälle nicht ausgeschlossen werden.“