Das Empire zählt seine Schwäne
Jedes Jahr im Juli rudert der königliche Schwanmarkierer über die Themse — es ist Zeit für die jährliche Inventur beim Federvieh.
Marlow. Die Glocken in der Backsteinkirche am Flussufer schlagen neun Uhr. Für David Barber bricht ein Tag an, der unter den kuriosen Bräuchen des Königreiches der sportlichste ist. Als Schwanenzähler rudert er die Themse entlang, fängt die weißen Wasservögel und zählt sie für ihre Besitzerin, die Queen.
Mit sechs Holzbarken zieht Barber über die Themse. 79 Meilen rudern er und seine Männer in den fünf Tagen, die das „Swan Upping“ dauert. Die Augen stets suchend auf die Wellen gerichtet, dass ihnen keine Schwanenfamilie entgeht. Die Tiere sind nämlich alles andere als vogelfrei: Seit 800 Jahren erhebt die britische Krone Besitzansprüche auf die schwimmenden Delikatessen.
„Heute essen wir keine Schwäne mehr“, betont Barber, „und die Queen serviert sie auch nicht mehr bei Banketten.“ Doch hunderte Jahre war dies so, weshalb das Amt des Schwanenmarkierers geboren wurde. Die Majestäten wollten wissen, wie es um Nachschub ihrer Speise bestellt war.
Im Mittelalter teilte der Palast sein Privileg mit Londoner Weinhändlern und Tuchmachern, deren Gilden dem Schwanenmarkierer Barber auch heute noch beim Rudern aushelfen. Ein geübter Blick Barbers auf die farbigen Ringe der Schwaneneltern reicht, um die Besitzverhältnisse zu klären: Da ein Tier den Tuchmachern gehört und eines der Königin, werden die vier Jungen je zur Hälfte der Gilde und dem Palast zugeschlagen.
Barber ist seit 50 Jahren dabei und hat einen „fairen Anteil an blauen Flecken und Beulen“ abbekommen. Klagen will er nicht. Denn der Queen gehören auch alle Wale und Delfine, die sich vor der Küste aufhalten. Und nach kurzer Überlegung sind ihm Schwäne zum Zählen doch lieber.