Das Mittelalter lebt auf

Handwerker bauen auf der Schwäbischen Alb eine Klosterstadt.

Meßkirch. Mit einer modernen Säge ginge es schneller, aber Michael Straub arbeitet mit einer mittelalterlichen Axt. Immer wieder schlägt er auf Äste und Stämme ein und bringt sie in Form. Sie sind das Baumaterial für eine Kirche — Herzstück der mittelalterlichen Klosteranlage, die zurzeit in Meßkirch (Baden-Württemberg) gebaut wird.

Nur mit Methoden aus dem 9. Jahrhundert wollen Handwerker eine Klosterstadt mit 50 Häusern und einer Kathedrale für 2000 Menschen errichten. Es wird Jahrzehnte dauern, bis sie fertig sind. Touristen sollen jeden Schritt hautnah verfolgen.

Viel mehr als eine kleine Lichtung im Wald und provisorische Handwerker-Hütten sind im Moment noch nicht zu sehen. Doch Bert Geurten, Initiator des Mammut-Projekts, sieht alles schon ganz genau vor seinem inneren Auge: die Kirche, den Altar, die betenden Mönche.

„Im 9. Jahrhundert hätten die Mönche als erstes eine kleine Kirche gebaut — sie wollten mit dem Beten ja nicht warten, bis die große Kathedrale fertig ist. Also machen wir das genauso“, sagt Geurten. Doch bis das provisorische hölzerne Gotteshaus steht, müssen Straub und seine Kollegen einige Bäume fällen.

Hunderte Handwerker haben sich beworben, 25 haben eine Stelle auf der Klosterbaustelle bekommen. Sie schuften bei Wind und Wetter in mittelalterlichen Leinenumhängen. Ochsenkarren bringen das Baumaterial heran. Steine, Lehm und Holz werden auf der Baustelle gewonnen. „Das ist einfach außergewöhnlich, wieder nur mit den Händen zu arbeiten und nicht ständig den Lärm der Maschinen zu haben“, sagt der 37-jährige Straub.

Für Geurten ist mit dem Baubeginn ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. 1967 sah er ein kleines Modell einer mittelalterlichen Klosterstadt. Wissenschaftler hatten die Anlage nach Plänen aus dem 9. Jahrhundert erstellt. Geurtens Fantasie war angeregt: Er wollte die Klosterstadt bauen.

Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis der Mittelalter-Fan in Meßkirch die Chance bekam, seinen Traum zu verwirklichen. Auf der Suche nach einem Bauplatz wurde er lange verspottet. Doch Bürgermeister Arne Zwick (CDU) konnte er überzeugen.

Schließlich reiste der Gemeinderat ins französische Guédelon, wo es ein ähnliches Projekt gibt. 300 000 Besucher kommen jährlich. Damit Campus Galli, wie sich die Klosterbaustelle nennt, an den Erfolg von Guédelon anknüpfen kann, soll das Mittelaltergefühl durch nichts gestört werden.

Den Touristen wird nur Essen aus dem 9. Jahrhundert angeboten. Pastinakensuppe oder römische Würstchen etwa. Cola oder Pommes gibt es nicht. Zugeständnisse an die Neuzeit wurden aber doch gemacht. So gibt es Toiletten mit fließendem Wasser.