Dem Urknall so nah wie nie
Wissenschaft: Im Cern bei Genf prallen Atomteilchen mit bislang nie erreichter Energie zusammen.
Genf. Mit Rekord-Kollisionen ist der weltgrößte Teilchenbeschleuniger LHC dem Urknall so nahe gekommen wie nie zuvor. In der Maschine am europäischen Teilchen-Forschungszentrum Cern bei Genf prallten fast lichtschnelle Atomkernteilchen mit der bislang unerreichten Energie von sieben Tera-Elektronenvolt aufeinander. Zum Vergleich: Jedes einzelne Partikel hat die Energie von rund 100 Trillionen (100000000000000000000) Flöhen im Sprung.
Die Kollisionen markieren den Beginn der wissenschaftlichen Experimente im "Large Hadron Collider" (LHC), der seit mehr als 20 Jahren geplant und gebaut wurde, um fundamentale Fragen über die Natur zu beantworten: Woher kommt die Masse? Wie ist das Universum entstanden? Was ist die rätselhafte Dunkle Materie, die im Weltall vier bis fünf Mal häufiger vorkommt als die uns bekannte? Drei Anläufe hatten die Cern-Physiker gestern gebraucht, um den ersehnten Teilchencrash auszulösen. "Wir haben eine Unzahl von Komponenten, die alle zur selben Zeit funktionieren sollen." Beim LHC-Vorgänger LEP habe es eine Woche bis zur ersten Kollision gedauert.
Lauter Jubel brandete auf, als die Forscher um 13.06 Uhr die ersten Partikel-Crashs messen konnten. "Das ist der Beginn einer fantastischen neuen Ära der Teilchenphysik", sagte Cern-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer.
Der LHC "dürfte uns etliche Antworten liefern", freute sich etwa der US-Nobelpreisträger von 2004, David Politzer, vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena.
Cern-Forscher waren zuvor mehrfach der Sorge entgegengetreten, schwarze Löcher könnten als gefräßige Schwerkraftmonster der Erde gefährlich werden. Diese Gefahr existiere nicht, sagte Cern-Chef Rolf-Dieter Heuer. Es könnten lediglich "mikroskopische schwarze Löcher" entstehen. Diese würden aber sofort wieder zerfallen, so Heuer. Zudem mache das Universum seit Milliarden von Jahren pro Sekunde Milliarden derartiger Experimente. "Und wir sind immer noch da."
Mit den Teilchenkollisionen betreten die Physiker wissenschaftliches Neuland. Die Energie ist 3,5 Mal höher als in jedem früheren Teilchenbeschleuniger.
Von 2013 an soll die Kollisionsenergie auf 14 Tera-Elektronenvolt gesteigert werden. Wegen der erhofften fundamentalen Erkenntnisse zur Entstehung und Zusammensetzung des Universums hat der LHC den Namen "Weltmaschine" bekommen. Er gilt auch als größte Maschine der Welt. 2008 musste die mehr als drei Milliarden Euro teure Maschine wegen eines technischen Defekts abgeschaltet werden.