Der Folterchef der Roten Khmer
Urteil: Mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Gräueltaten in Kambodscha ist Kaing Guek Eav alias Duch zur Rechenschaft gezogen worden.
Phnom Penh. Kaing Guek Eav war Mathelehrer und das Anlegen von Tabellen sowie den sorgfältigen Umgang mit Daten gewohnt. Diese Fähigkeiten nutzte der als Duch bekannt gewordene Kambodschaner als Herrscher über das berüchtigte Foltergefängnis Tuol Sleng der Roten Khmer. Akribisch führte er Buch über seine Opfer, sammelte Geständnisse und Fotos, die später halfen, die Grausamkeiten in Tuol Sleng zu rekonstruieren. Gestern wurde Duch von einem Sondertribunal für Kambodscha für seine Taten zu 30Jahren Haft verurteilt. Und obwohl unter seiner Leitung mehr als 12000 Menschen hingerichtet wurden, erhoffte sich der 67-Jährige bis zuletzt einen Freispruch.
Viele Jahre lang glaubten seine Opfer, der Folterer Duch sei tot. Als die Schreckensherrscher der kommunistischen Roten Khmer in Kambodscha 1979 gestürzt wurden, verschwand er im Dschungel des südostasiatischen Landes und versteckte sich davor, für seine Taten Rechenschaft ablegen zu müssen: Unter Duchs Leitung wurden in Tuol Sleng zwischen 1975 und 1979 mindestens 12380 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und hingerichtet.
Dabei ging Duch offenbar genau planend und kalt berechnend vor. "Er ist akribisch, gewissenhaft, kontrolliert, achtet auf jedes Detail und sucht Anerkennung durch seine Vorgesetzten", hieß es in einem psychologischen Gutachten des Tribunals. "Duch versah den Todesbetrieb mit Präzision", schreibt die US-Journalistin Elizabeth Becker über den Gefängnisleiter. "Er hatte sogar bestimmte Tage für die Hinrichtung einzelner Gruppen von Gefangenen festgelegt: ein Tag für die Frauen der Feinde, ein anderer für die Kinder, ein weiterer für die Arbeiter."
Nahezu jeder in seinem Umfeld soll Duch gefürchtet haben. Seine Untergebenen im Gefängnis von Phnom Penh waren meist Jugendliche ohne Schulbildung. Die konnte er leicht manipulieren - "wie ein leeres Blatt Papier", wie er selbst sagte. Zu den Roten Khmer war Duch aus ideologischen Gründen gestoßen. 1942 geboren, wurde er bereits als junger Mann zum Kommunisten. Einer seiner Professoren war Son Sen, der spätere Verteidigungsminister der Roten Khmer.
Duch schloss sich der Guerillagruppe an und wurde unter der damaligen Regierung verhaftet und gefoltert. "Ich habe mich der Revolution angeschlossen, um die Gesellschaft zu verändern, um mich der Regierung und der Folter entgegenzustellen", berichtete Duch vor Gericht.
Als die Roten Khmer 1975 die Macht übernahmen, wurde der einstige Gefangene selbst zum Folterer und Gefängnischef und bekam die Leitung von Tuol Sleng übertragen, bis er nach dem Sturz des Pol-Pot-Regimes 1979 untertauchte.
1999 entdeckte ihn der Fotoreporter Nic Dunlop an der kambodschanisch-thailändischen Grenze, wo Duch für eine christliche Hilfsorganisation arbeitete. Seither saß Duch in Haft, was auf die nun verhängte Strafe angerechnet wurde. In 19 Jahren, sollte er dann noch leben, hätte er diese dann verbüßt.
Zehntausende Kambodschaner haben das Tribunal besucht, Millionen haben die Verhandlung in TV und Radio verfolgt. Für das geschundene und bis auf den korrupten Geldadel bitterarme Land ist das Urteil wie ein Befreiungsschlag.