Der mysteriöse Tod eines rechtsextremen V-Manns
NRW will Akten aus dem Fall „Corelli“ nicht weitergeben. Für die Opposition ein Vertuschungsversuch.
Düsseldorf/Paderborn. Irgendwann in der Zeit zwischen dem 4. und 7. April 2014 muss Thomas D. in seiner Wohnung in Paderborn gestorben sein — so genau kann das heute niemand mehr sagen. Möglicherweise ist der exakte Todeszeitpunkt des seinerzeit 39 Jahre alten Mannes gar nicht so wichtig, wie NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) glaubt. Vielleicht ist es aber gar nicht so einfach festzustellen, wann D.s letztes Stündlein geschlagen hat. Offiziell ist er an den Folgen einer bis dahin unentdeckt gebliebenen Diabeteserkrankung gestorben.
Allerdings gibt es Menschen, die an dieser Version zweifeln. Denn eigentlich hieß der Tote nicht D., sondern R.; bekannt wurde er vor allem durch den Decknamen Corelli, den er vom Verfassungsschutz erhalten hatte. Corelli war jahrelang eine Topquelle der Schlapphüte, bestens vernetzt in der rechten Szene und soll angeblich Kontakt zu den mutmaßlichen Rechtsterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gehabt haben. Im Zuge der NSU-Ermittlungen flog Corelli auf — und lebte seit 2012 mit neuer Identität in einem Zeugenschutzprogramm. Bis zu seinem plötzlichen Tod 2014.
Zu diesem Zeitpunkt machte das Gerücht die Runde, Corelli habe die Behörden bereits 2006 über den NSU informiert. In Form einer CD, die mit „NSU/NSDAP“ beschriftet ist und angeblich auch Texte über den NSU enthält. Der Öffentlichkeit bekannt wurde die Existenz des NSU aber erst im November 2011, nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die Ermittler hätten also im Frühjahr 2014 großes Interesse gehabt, mit R., in der braunen Szene „HJ-Tommy“ genannt, ein paar Wörtchen zu wechseln. Viel Stoff für Verschwörungstheorien rund um den Tod eines rechten V-Manns.
Davon sind vor allem im Internet reichlich zu finden. Die Landesregierung geht allerdings von einem natürlichen Tod Corellis aus. Am Mittwoch stellte Kutschaty im Rechtsausschuss des Landtages einen Bericht vor, nach dem es keine Hinweise auf Fremdeinwirkungen gibt. Die Opposition wittert dennoch einen Skandal — allerdings aus anderen Gründen.
Denn auch der Innenausschuss des Bundestages hätte Ende des vorigen Jahres gern einen Blick in die Corelli-Akten geworfen. Durfte er aber nicht, weil Kutschaty die Weitergabe der Unterlagen mit Blick auf die Rechtslage ablehnte. Experten seines Ministeriums hätten Bedenken angemeldet: Nicht der Berliner Innenausschuss sei zuständig für die Aufklärung des Falls Corelli, sondern ein eigens eingesetzter Sonderermittler, der die Akten auch erhalten habe.
Peter Biesenbach, für die CDU im Rechtsausschuss, hält die Weigerung Kutschatys für einen Vertuschungsversuch und sieht darin eine „politische Entscheidung mit verheerender Wirkung“: NRW wolle Corellis Tod nicht aufklären. Der Minister hingegen sieht das freilich anders — er habe keinerlei rechtlichen Spielraum, die Akten an den Innenaussschuss weiterzugeben.