Nordrhein-Westfalen Thomas Kutschaty (SPD): Menschen verlieren Vertrauen in Politik
Düsseldorf. Die nordrhein-westfälische SPD hat den personellen Neuanfang nach der Wahlschlappe 2017 ein Jahr lang verschlafen. Jetzt will der frisch gewählte Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty angreifen.
Im Interview in Düsseldorf erklärt der 49-Jährige, warum er nicht lieber als Anwalt arbeitet.
Sie könnten als ehemaliger Justizminister eine Anwaltskanzlei führen. Warum wollen Sie stattdessen diese Fraktion führen?
Kutschaty: Weil ich der Überzeugung bin, dass man nicht immer nur von Anderen verlangen kann, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Ich bin Vater von drei Kindern. Ich möchte ihnen eine Welt hinterlassen, die nicht nur Trump und Putin geprägt haben.
Seit der verlorenen Landtagswahl hat die SPD der neuen Regierung auf etlichen Feldern Zaudern oder Versagen vorgeworfen, auf denen Rot-Grün selbst viel Unerledigtes hinterlassen hat - etwa bei Schule, Kitas, Stau-Bekämpfung, Digitalisierung. Halten Sie das für glaubwürdig?
Kutschaty: Einspruch! Laschet und Lindner haben den Menschen vor der Landtagswahl das Blaue vom Himmel versprochen: Kein Stau mehr, jede Straftat wird aufgeklärt, kein Unterrichtsausfall mehr an den Schulen. Und jetzt strengt sich die Landesregierung nicht einmal an, diese Versprechen einzulösen. Es ist die Aufgabe der Opposition, auch das zu thematisieren.
Haben Sie auch überzeugendere Ideen für einen neuen Oppositionsstil?
Kutschaty: Natürlich werden wir auch eigene Themen setzen. Zum Beispiel müssen wir dringend den überschuldeten Städten und Kommunen in NRW helfen. Wenn die Schlaglöcher auf den Straßen nicht repariert werden und sich die Kinder nicht mehr auf die Schultoilette trauen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren.
Die SPD verliert Wähler sowohl an Grüne und Linke als auch an die AfD. Muss die SPD auf einigen Themenfeldern mehr nach links oder mehr nach rechts rücken?
Kutschaty: Ich glaube, dass die Diskussion um rechts oder links total veraltet ist. Es muss uns heute um gute Politik gehen und nicht um verkrustete Ideologie.
Nach dem Wahl-Desaster 2017 hat die Parteispitze eine neue Streit- und Debattenkultur versprochen. Jetzt heißt es, der komplette Landesvorstand stehe hinter dem weithin unbekannten Politiker Sebastian Hartmann als designiertem Landesparteichef. Wo war denn da die Meinungsvielfalt?
Kutschaty: Ich bin doch selbst der beste Beweis dafür, dass die SPD keine Personalentscheidungen mehr im Hinterzimmer will. Im letzten Jahr haben wir mit sehr bekannten Namen große Wahlen verloren. Jetzt stellen wir uns als einzige Partei jünger und weiblicher auf. Wenn Sie Sebastian Hartmann und den gesamten neuen Landesvorstand in einem Jahr noch nicht kennengelernt haben sollten, können wir noch einmal darüber sprechen. Bis dahin haben die neuen Köpfe aber wenigstens eine Chance verdient.
Alle SPD-Granden haben in den vergangenen Jahren angekündigt, die Partei werde wieder näher an die Basis rücken. Warum hat das nicht gewirkt?
Kutschaty: Wir sind gerade dabei, uns inhaltlich und personell neu aufzustellen. Das wird allerdings nicht von heute auf morgen alle Probleme lösen. Ich gebe Ihnen aber völlig recht, dass wir wieder anfangen müssen, die Sorgen der Menschen vor Ort ernst zu nehmen. Ich glaube schon, dass die meisten Menschen es uns abnehmen, dass wir es immer gut gemeint haben. Wir haben es nur nicht immer gut gemacht.
Die NRW-SPD hat den personellen Neuanfang ein Jahr lang verschlafen und wirkt auf viele langweilig. Wie wollen Sie das drehen?
Kutschaty: Durch harte Arbeit und gute Politik! Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Qualität am Ende doch durchsetzt. Schon bald werden die Menschen keine Lust mehr auf Spalter und Polarisierer haben, die Politik für ein Mittel der Selbstverwirklichung halten. Dann wird aus Langeweile schnell wieder Verlässlichkeit.