Der Schneider des Papstes
Benedikt XVI. lässt seine Soutanen bei einem alten Bekannten in dessen Mini-Atelier nähen.
Rom. Eine graue Nähmaschine, die ihre besten Jahre schon hinter sich hat, Unmengen von bunten Stoffbahnen, die kreuz und quer im Raum liegen, und ein wackeliger Holzstuhl, über dessen Lehne achtlos Kleidungsstücke geworfen wurden: In diesem chaotischen Hinterzimmerchen in Rom sollen die Kleider des Papstes entstehen?
"Ja, ich bin der Schneider des Heiligen Vaters", sagt Raniero Mancinelli. In seiner kleinen Werkstatt schneidert der 71-Jährige seit mehr als 20 Jahren die Kleidung seines bekanntesten Kunden, Joseph Ratzinger.
Mit seinem vollen grauen Haar, dem karierten Jackett und dem grünen Pullunder wirkt Mancinelli wie der nette Opa von nebenan, macht einen einfachen und bescheidenen Eindruck. Sein Credo: "Ich habe mein Augenmerk nie auf das Übertriebene gelegt, sondern mit Leidenschaft an der Perfektion des Schlichten gearbeitet."
Sein Aufstieg vom einfachen Schneider zum Ausstatter des Papstes begann mit dem Besuch einer "kleinen, immer lächelnden Frau, die mit fürchterlichem deutschen Akzent sprach", wie Mancinelli Maria Ratzinger amüsiert umschreibt. Die ältere Schwester des deutschen Kardinals wollte bei Mancinelli einige Kleidungsstücke für den Bruder fertigen lassen, darunter die schwarz-roten Kardinalsgewänder. Bis zu ihrem Tod 1991 hat sie sich um dessen Haushalt gekümmert.
"Maria wäre verrückt geworden vor Freude, wenn sie noch erfahren hätte, dass ihr Bruder zum Papst gewählt wurde", ist sich Mancinelli sicher, der Ratzinger auch Wein und Hostien lieferte. Der erste Auftrag, dem frisch gewählten Papst Benedikt XVI. eine Soutane zu schneidern, ging aber traditionsgemäß an die renommierte Schneiderei Gamarelli, die seit Jahrhunderten offizieller Papst-Ausstatter ist.
Doch deren Kleidungsstücke waren allesamt zu kurz. Resultat: Benedikt blieb seinem alten Meister Mancinelli treu. Ein erbitterter "Schneider-Streit" soll daraufhin vom Zaun gebrochen sein. "Ach, nein, alles Quatsch, wir haben ein gutes Verhältnis", dementiert Mancinelli.
Das Material für die Soutane müsse besonders weich sein und dürfe in keinem Falle knittern, sagt Mancinelli. Außerdem hat er einen cremefarbenen Ton für den edlen Stoff gewählt, das schmeichle mehr dem Teint.
Zu Ratzinger selbst hat er seit langem ein freundschaftliches Verhältnis. "Als er noch Kardinal war, haben wir uns fast jeden Tag gesehen und oft ein wenig geplaudert." Trotz der Vertrautheit sei ihm aber mulmig zumute gewesen, als er das erste Mal an dem neuen Papst Maß nehmen durfte und seinen ersten Auftrag bekam: "Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, vor Aufregung, etwas falsch zu machen."
So gern Raniero Mancinelli auch aus dem Nähkästchen plaudert, bei einigen Themen wird er schweigsam. So mag er nicht sagen, was denn so eine Papst-Soutane kostet: "Das habe ich leider vergessen." Und er weicht auch der Frage aus, ob sich jeder eine schneidern lassen könne.
Da bespricht er lieber das "Zucchetto bianco", das weiße Scheitelkäppchen. Dafür lasse er einen ganz besonderen Stoff herstellen: "Der Papst ist ja schließlich nicht irgendwer." Er arbeitet auch immer eine Samtborte ein, die ein Wegfliegen verhindern soll. Das klappt aber nicht immer, und Mancinelli weiß auch warum: "Papa Ratzinger hat einfach zu viele Haare für sein Alter."