„Die Fiesta ist zu Ende“ - Stillstand in Mexiko
Mexiko-Stadt (dpa) - Wenn die Angst und die Unsicherheit nicht wären: Die Mexikaner könnten ihre Hauptstadt so entspannt erleben wie nie zuvor. Auf den sonst überfüllten und lauten Straßen von Mexiko- Stadt herrscht mit einem Mal ungewöhnliche Ruhe.
Während in vielen Ländern der Welt wegen der Schweinegrippe hektische Aktivität ausgebrochen ist, kommt in Mexiko, von wo weltweit die meisten Fälle gemeldet wurden, das öffentliche Leben zum Erliegen. Wenn 34 Millionen Schüler und über zwei Millionen Lehrer nicht mehr zur Schule fahren, dann spiegelt sich das auch auf den 80 000 Straßen der Hauptstadt wider. Viele Familien der Mittelklasse nutzen bereits die schulfreie Zeit für einen Urlaub in Acapulco und anderen Badeorten. Oder sie sind in ihre Häuser außerhalb von Mexiko-Stadt gezogen.
„Bleiben Sie zu Hause“, riet Präsident Felipe Calderón in der Nacht zum Donnerstag in einer Fernsehansprache seinen Landsleuten. „Es gibt keinen sichereren Platz als Dein Haus“, fügte er hinzu. Nur kurz zuvor hatte Gesundheitsminister José Ángel Córdova weitere einschneidende Maßnahmen angekündigt, mit denen die in Mexiko grassierende Schweinegrippe eingedämmt werden soll. Zwischen dem 1. und 5. Mai sollen die Behörden alle öffentlichen Aktivitäten einstellen. Nur noch Supermärkte und Apotheken sollen geöffnet bleiben. Auch die Müllabfuhr soll weiter arbeiten, und die Medien dürfen weiter berichten.
„Die Fiesta ist zu Ende“, schrieb die Tageszeitung „Reforma“. Die „Fiesta“ beginnt in Mexiko üblicherweise am Donnerstagnachmittag in der Kneipe mit Freundin oder Freund und endet am Sonntag im Kreise der Familie. Doch nun sind bereits seit Montag in Mexiko-Stadt die rund 25 000 Restaurants, die Bars und Cantinas geschlossen. Sie dürfen Speisen zubereiten, aber nicht mehr im Restaurant servieren sondern nur noch außer Haus verkaufen.
„Das Restaurant ist wegen behördlicher Anordnung bis auf weiteres geschlossen“, steht an vielen Türen. Die Eigentümer sind verärgert über die Maßnahme. Der Chef des Gaststättenverbandes, Francisco Mijares, stöhnt: Man hat uns den Todesstoß versetzt.“ Erst das Rauchverbot in Räumen, dann die Weltwirtschaftskrise und jetzt die Schließung, das würden viele Betriebe nicht überleben.
Andere, wie der „Argentiner“ in der Mineria-Straße im Stadtteil Escandón oder das kleine Taco-Restaurant an der Straße Cozumel haben ein paar Tische auf die Straße gestellt und versuchen so, den Betrieb am Leben zu erhalten. Auch die Hotels mussten ihre Restaurants schließen. „Die Küche arbeitet, sagt ein Portier des Hotels Sheraton an der Reforma. „Wir haben ausschließlich auf Zimmer-Service umgestellt.“ Doch es kommen immer weniger Gäste. Die Empfehlungen der Regierungen aus aller Welt, nur noch nach Mexiko zu reisen, wenn es dringend notwendig ist, zeigt Wirkung. Ankommende Flugzeuge sind nur noch zur Hälfte besetzt.
Doch nicht alle Mexikaner klagen über die verordnete Ruhe. „Endlich kann ich in der Woche mit meiner Mama zusammen sein,“ freut sich die 14-jährige Marijose, die im Stadtteil Napoles wohnt. Normalerweise steht sie jeden Morgen um kurz nach fünf auf, um rechtzeitig in der Schule zu sein, ehe der Massenverkehr auf den Straßen einsetzt. Marijose leidet an Asthma und ist es gewähnt, einen Mundschutz zu tragen. „Vor mir aus soll die Schule noch lange geschlossen bleiben“, sagt sie.
Und Luis, ihr 19-jähriger Bruder, der gerne nächtelang durch die Diskotheken zieht, hat nun endlich keine Ausreden mehr, sich vor dem Examen zu drücken. „Ich kann nirgendwohin gehen“, sagt er. Also bleibe ich zu Hause und lerne.“