Die StVO geht im Jubel unter

Autokorsos: Wenn die Fußball-Fans sich freuen, drückt die Polizei schon einmal ein Auge zu.

Düsseldorf. Sonntagabend ist es wieder so weit: Hupende und jubelnde Fußball-Fans fahren in ihren Autos durch die Straßen, um den neuen Fußball-Europameister zu feiern - und verstoßen dabei vielfach gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO): Es wird gehupt wie wild, Sicherheitsgurte sind dann für die meisten Fahrer ein Fremdwort, Fahnen werden aus dem Fenster geschwenkt, die Beifahrer lehnen sich weit aus den Fenstern oder stehen gar bei geöffnetem Schiebedach im Auto - und dieselbe Polizei, die an normalen Tagen für nicht angelegte Sicherheitsgurte sofort Knöllchen verteilt, schaut tatenlos zu.

"Die Straßenverkehrsordnung gilt selbstverständlich auch bei einem Autokorso", sagt Wolfgang Beus, Sprecher des NRW-Innenministeriums. "Aber die Polizei ist kein Spielverderber, sondern wir sind Partner der Feiernden. Das hat bislang nicht nur in den vergangenen drei Wochen wunderbar funktioniert. Die Beamten gehen die Sache mit sehr viel Fingerspitzengefühl an, greifen nur dann ein, wenn’s wirklich gefährlich wird oder jemand massiv gegen die StVO verstößt."

Kein Pardon gibt’s, wenn der Fahrer alkoholisiert ist oder unter Drogen steht, wenn Fußball-Begeisterte auf der Motorhaube oder auf dem Autodach mitfahren oder die Autos trotz Ampel-Rotlichts weiterfahren.

Das Ganze nennt sich Verhältnismäßigkeit der Mittel: Würden die Beamten bei jedem Verstoß eingreifen, könnte es durchaus zu Konfrontationen mit den jubelnden und sich freuenden Fans kommen. Das würde dann noch mehr Polizeieinsatz erfordern. Hinzu kommt, dass bei Korsos die Autos normalerweise recht langsam fahren, so dass Unfälle in der Regel nicht zu erwarten sind.

Also prüft die Polizei bei den im Korso beobachteten Verstößen gegen die StVO sorgsam die Verhältnismäßigkeit der möglichen und Erfolg versprechenden Mittel - und drückt um des lieben Friedens Willen ein Auge zu.

Das machen die Beamten im übrigen auch bei Hochzeiten, wenn mit Blumen geschmückte Autos hupend allerlei Blechbüchsen hinter sich herziehen, oder wenn ganze Rudel junger Autofahrer die Umwelt laut tönend darauf aufmerksam machen, dass sie soeben ihr Abitur bestanden haben.

Die Arbeit der Polizei beschränkt sich allerdings keinesfalls aufs Augen-Zudrücken. Wenn, wie morgen Abend, größere Korsos zu erwarten sind, gibt es natürlich Konzepte. In der Landeshauptstadt Düsseldorf etwa hat sich die Polizei auf umfangreiche Sperrmaßnahmen im Bereich Altstadt/Heinrich-Heine-Allee vorbereitet. Sprecher Alexander Heinz: "Wenn sich nach dem Finale ein Autokorso bilden sollte, werden wir insbesondere im Altstadt-Bereich, wo gefeiert und getrunken wird, verkehrslenkende Maßnahmen ergreifen." Im Klartext: Durch gezielte Straßensperrungen etwa im Bereich des Bolker Sterns wird der Autokorso so gelenkt - und abgeleitet -, dass gefährliche Begegnungen zwischen feiernden Fußgängern und jubelnden Autofahrern vermieden werden.