Drei Monate Atempause - Der Kampf um Suhrkamp geht weiter

Berlin (dpa) - Ist das die letzte Runde im Kampf um Suhrkamp? Mit dem Antrag auf einen Schutzschirm vor seinen Gläubigern versucht der renommierte Verlag, sich in einer dramatischen Lage eine Atempause zu verschaffen.

Eines ist jetzt schon klar: Der Kampf zwischen der Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz und dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach hat das Unternehmen in die Überschuldung und an den Rand seiner Existenz getrieben. Ob die literarische Heimat von Hermann Hesse, Isabel Allende und Mario Vargas Llosa in dieser Form noch zum Jahresende so existieren wird, ist heute fraglicher denn je.

Der sogenannte Schutzschirmantrag, den Suhrkamp am Montag vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gestellt hat, gibt dem Verlag drei Monate Zeit, sich einen finanziellen Spielraum zu verschaffen. Mit dieser seit 2012 bestehenden Variante des Insolvenzrechts sollen sich im Prinzip gesunde Firmen unter eigener Regie und aus eigener Kraft sanieren. Suhrkamp müsste sich dafür die Unterstützung von Banken und anderen Gläubigern sichern, darunter auch der Autoren.

Die bittere Fehde zwischen der Familienstiftung um die Witwe von Verlagsgründer Siegfried Unseld, die 61 Prozent hält, und Barlach (39 Prozent) zieht sich seit Jahren hin. Vorläufiger Höhepunkt war eine Entscheidung des Frankfurter Landgerichts vom 20. März. Die Richter hatten angeordnet, dass Suhrkamp an Barlach einen Gewinnanteil in Höhe von 2,2 Millionen Euro ausbezahlt. Doch Suhrkamp kann den Betrag aus eigener Kraft nicht stemmen. Mit dem nun eröffneten Verfahren liegen alle Streitigkeiten zunächst einmal auf Eis.

Barlachs Forderung kreist dennoch wie ein Damoklesschwert über dem Verlagshaus im Stadtteil Prenzlauer Berg. Der Verlag habe 2010 und 2011 Überschüsse von insgesamt elf Millionen Euro erwirtschaftet, erklärte der Enkel des Bildhauers Ernst Barlach.

Beide Seiten bezichtigen sich gegenseitig, die fast ausweglose Lage herbeigeführt zu haben. Unseld-Berkéwicz habe die Insolvenzsituation selber geschaffen, weil sie auf einer Ausschüttung ihrer Gewinnanteile bestanden habe, sagt Barlach. Er habe dagegen den vorläufigen Verzicht auf seine Forderungen angeboten. Eine Einigung, das ganze Geld in den Verlag zu investieren und damit dessen Zukunft zu sichern, ist nicht in Sicht.

Die Frankfurter Entscheidung war nicht der erste Sieg Barlachs gegen die Verlegerin. Schon Ende Dezember 2012 hatte das Landgericht Berlin die Verlagschefin abberufen, weil sie rechtswidrig ihre Berliner Villa an den Verlag für eine Veranstaltung vermietet habe. Dagegen hat der Verlag Berufung eingelegt.

Der Streit trifft den 1950 gegründeten Suhrkamp Verlag, der als intellektuelles Kraftzentrum weit über die Grenzen der Bundesrepublik ausstrahlt, in einer denkbar ungünstigen Lage. Elektronische Bücher und der Internethandel setzen die Verlagswirtschaft zunehmend unter Druck.

Jahrzehntelang lieferte Suhrkamp mit seinen Büchern zur Kritischen Theorie, etwa mit den Schriften von Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Ernst Bloch, das geistige Futter der Republik. Der Literaturkritiker George Steiner sprach von einer „suhrkamp culture“.
Der Verlag brachte die Stars des lateinamerikanischen Literaturbooms heraus und lieferte etwa die legendäre Übersetzung von James Joyces „Ulysses“ von Hans Wollschläger.

Ein neuer Gerichtstermin steht bereits jetzt schon fest. Das Frankfurter Landgericht hatte beiden Parteien eine Frist zur Einigung gesetzt - bis zum 25. September.