Mehring steht Kopf Drei Weinköniginnen aus einem kleinen Ort

Mainz (dpa) - Das kleine Örtchen Mehring an der Mosel ist stolz auf Gässchen mit rebenberankten Toren, einen barocken Zwiebelturm auf der Pfarrkirche - und nun gleich drei Deutsche Weinköniginnen.

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„Das ist der Knaller. Wir haben ein deutsches Weinköniginnen-Nest“, sagt Cordula Endesfelder völlig aus dem Häuschen, nur wenige Minuten nachdem ihre Tochter Lena das goldene Krönchen ins Haar gesetzt bekam.

Schon 1956 und 1987 trugen Frauen aus Mehring den Titel Deutsche Weinkönigin. Jutta Fassian-Emrich, die vor 29 Jahren den Sieg holte, sitzt bei dem packenden zweistündigen Wettkampf am Freitagabend in Mainz im Saal. „So habe ich noch nie in meinem Leben mitgezittert“, sagt sie. Neben ihr seien den Mehringern, „gestandenen Winzern“, die Tränen heruntergelaufen. „Der Ort ist so stolz und wächst durch den Titel zusammen“, sagt Fassian-Emrich.

Während Lena Endesfelder auf der Bühne eine Aufgabe nach der anderen meistert, muss sie immer wieder kurz innehalten. Denn auf den Zuschauerrängen machen die 150 Mehringer, die mit Bussen gekommen waren, einen wahnsinnigen Lärm. Der SWR übertug die Wahlgala live - deswegen bauten sich die Mehringer, die Zuhause geblieben waren, in ihrem 2200-Einwohner-Örtchen ein Public Viewing für den Weinköniginnen-Wettkampf auf.

Dabei sah es zwischendurch so aus, als müsste die 23-Jährige den Sieg einer anderen überlassen. Bei der blinden Weinverkostung tippte sie auf einen Riesling, aber der Wein in ihrem Glas war ein Weißburgunder. Das machten die späteren Prinzessinnen besser: Christina Schneider aus Franken erriet einen Riesling vom Mittelrhein sicher, und Mara Walz aus Württemberg wusste, dass sie Traminer aus Sachsen schmeckte.

„Die Weinprobe hat mich runtergezogen“, sagt Endesfelder nach dem Sieg. Am Boden zerstört saß sie hinter der Bühne - und rappelte sich doch noch einmal auf. „Es waren die anderen, die gesagt haben: „keep cool“.“ Insgesamt standen sechs junge Frauen im Finale, neben den Gekrönten auch Anja Antes von der Hessischen Bergstraße, Clarissa Peitz von der Nahe und Louisa Follrich vom Rheingau.

Bei der letzten Aufgabe des Abends, einem Brief an sich selbst, besticht Endesfelder mit Natürlichkeit, Eloquenz und Witz. „Liebe Lena, wenn ich an Dich denke, dann fange ich bei einer Höhe von 1,75 Meter an.“ Sie beschreibt ihre wackelnden Ohren, ihre Arbeitshände und ihr Herz, vollgepackt mit Leidenschaft für ihren Beruf der Winzerin. „Auf einer Höhe von 33,6 Zentimetern angekommen, fällt mir etwas Besonderes an dir als Winzerin auf: muskulös und dynamisch sind Deine Steillagen-Waden.“ Der Saal lacht da so laut, dass Endesfelder kaum noch zu verstehen ist.

Ihre Schwester Sarah Sonnen erzählt, diese Rede hätten sie am Vorabend zusammen auf dem Hotelzimmer geschrieben - und zwar nicht ganz nüchtern. „Das geht immer besser mit ein bisschen Sekt“, sagt Sonnen. Und erzählt dann, dass ihre Schwester manchmal beim Schuhe-Einkaufen die Stiefel nicht zumachen kann, weil die Waden so ausgeprägt sind.

Die Schwester hat auch allen 150 Mehringern in Mainz Kränze aus Weinblättern besorgt. So geschmückt singen sie erst „Lena, Du bist die Königin“ und später am Abend auch das Mosellied. Dabei umarmen sie sich und schunkeln gemeinsam. Schließlich stimmen sie auch noch „Wenn der Wein blüht“ an, mit der für diesen Abend passenden Zeile: „Und wollen gar nicht mehr nach Hause geh'n.“

Irgendwann in der Nacht verrät die Deutsche Weinkönigin von 1987 das Geheimnis, warum die Mehringerinnen so oft gewinnen: „Weil der Ort so hinter ihnen steht“, sagt Fassian-Emrich. Und sie hat einen weiteren Verdacht: „Die Weinköniginnen waren alle Mitglieder der Mehringer Winzertanzgruppe. Da werden sie unglaublich frei und lernen frei zu reden.“ Auch die Winzertanzgruppe hat übrigens drei Titel: So oft waren sie Deutsche Meister im Volkstanz.

Zum Tanzen wird Endesfelder in den kommenden zwölf Monaten wohl nur wenig kommen. Rund 200 Termine in aller Welt stehen für die Deutsche Weinkönigin an. Aber erst einmal, sagt ihr Freund Peter Follmann, führen sie in einen kleinen Wellness-Urlaub. „Irgendwas mit Ruhe.“ Dann aber wird die 23-Jährige Winzerin, die das Weingut seit dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter und Schwester führt, auf Reisen gehen. „Ich muss wohl mein Weingut neu organisieren“, meint sie. Die Unterstützung ihres Ortes ist ihr dabei gewiss.