Einblicke in ein Promi-Restaurant

Berlin (dpa) - Der Ex-Außenminister und Nobelpreisträger Henry Kissinger wurde nicht erkannt und erhielt fast keinen Tisch. Dafür blockierten die Leibwächter des amerikanischen Präsidenten Barack Obama den gesamten Restaurantbetrieb.

Prominente Politiker, Schauspieler, Journalisten und schaulustige Touristen gehören zum Promi-Treffpunkt Borchardt am Berliner Gendarmenplatz wie das beliebte Wiener Schnitzel.

„Gefahrenzone“ nennt sich das Buch, in dem der Berliner Borchardt-Betreiber Roland Mary nun über sein Leben als Hauptstadt-Wirt und Promi-Betreuer schreibt. Wobei sich besagte Zone weniger bei den mehr oder minder bedeutenden Menschen im Speiseraum findet, als im Konfliktbereich zwischen Köchen, Kellnern, Lieferanten, Kritikern, Konkurrenten und Restaurantchefs.

Mary schildert - unterstützt vom Journalisten Rainer Schmidt - das Leben hinter den Kulissen der Gastronomie als „Paralleluniversum“ mit archaischen Sitten, in denen Gutmenschen oder Sozialpädagogen nichts zu suchen haben. Wirte, die nicht wie ein „Dompteur im Löwenkäfig“ agierten, würden von Kellnern und Köchen belogen und betrogen und von Gästen ausgenutzt und genervt.

Eine Katastrophe seien zu viele uniforme und gleichförmige Gäste. „Am besten ist ein buntes Gemisch von Alice Schwarzer bis Dolly Buster.“ Politiker und Künstler gehörten genauso dazu wie Freaks und Normalos.

Dabei würden Prominente kaum bevorzugt behandelt und auch Durchschnittsgäste zuvorkommend bedient, verkündet der 60-Jährige. Beobachtungen im Borchardt, das 1992 eröffnet wurde, stützen diese Behauptung nicht unbedingt. Aber mit Selbstkritik ist der Autor grundsätzlich sparsam.

Dafür hagelt es Anekdoten. Wie Henry Kissinger unerkannt blieb und fast keinen Platz bekam. Erst beim Bezahlen mit der Kreditkarte sei dem Kellner klar geworden, woher er das Gesicht kannte. Wie Jack Nicholson durch die Gänge tanzte und Tom Cruise unbelästigt im promirelaxten Berlin essen konnte. Oder wie der Ex-Kanzler Gerhard Schröder und seine Nachfolgerin Angela Merkel ihre Vorlieben für das berühmte Schnitzel auslebten.

Allerdings plaudert Mary nichts aus über Lust und Laster seiner bekannten Gäste, was nicht bereits irgendwo geschrieben stand. Wirklich Neues von Stars und Sternchen bleibt dem neugierigen Leser weiter verborgen.

Köche der Konkurrenz werden von Mary ebenso aufs Korn genommen wie aufdringliche Kellner, die im Minutentakt nach dem Befinden der Gäste fragen, und durch ständiges Wein-Nachschenken stören. „Ich könnte dagegen Amok laufen, wenn sie dauernd nachgießen oder mir sonst zu nahe kommen wollen.“ Sätze, die sich schüchterne Restaurantgäste im Kampf gegen penetrante Kellner zu Herzen nehmen sollten.

Roland Mary, Rainer Schmidt: Gefahrenzone. Geschichten aus dem Bauch eines Restaurants. Verlag Goldmann. Gebundene Ausgabe, 320 Seiten. ISBN: 978-3-442-31333-4. 17,99 Euro.