Eine Poetin – und ziemlich clever
Das Buch „Tapfer lieben“ zeigt Marilyn Monroe mal anders: als verletzliche Frau und Dichterin.
München. "Leben - ich bin von deiner zweierlei Richtung. Irgendwie kopfüber hängend meistens, doch stark wie Spinnweben im Wind." Dieser Anfang eines Gedichtes - auf einen vergilbten Zettel geschmiert - ist eine kleine Sensation. Denn die Autorin ist Hollywood-Legende Marilyn Monroe. Anna Strasberg, die Witwe von Monroes Schauspiellehrer und Nachlassverwalter Lee Strasberg, hat den Zettel und zahllose weitere Dokumente in zwei Kisten beim Aufräumen auf ihrem Dachboden gefunden.
Notizen, Aphorismen, Einkaufslisten, Briefe, Kochrezepte - und sogar ganze, mit Schreibmaschine getippte Din A4-Seiten schlummerten in den Kartons.
Zu einem Buch haben all das jetzt die Herausgeber Stanley Buchthal und Bernard Comment zusammengefasst. "Marilyn Monroe - Tapfer lieben" lautet der Titel des "literarischen Nachlasses". "Ich denke, dass viele Leute in ihr immer noch eine dumme Blondine sehen - sexy, aber dämlich", sagt Herausgeber Comment. "Und ich denke, dass diese Menschen entdecken werden, dass sie eine Poetin war und ziemlich clever."
Das erste Kapitel des Buches ist mit "Private Aufzeichnungen" überschrieben. Dort erzählt Monroe von ihrer ersten Ehe mit James Dougherty, den sie im Jahr 1942 heiratete - als der spätere Kino-Star noch Norma Jeane hieß und erst 16 Jahre alt war. Belastet von der Untreue ihres Mannes sinniert sie über ihre Beziehung und die Bedeutung der Liebe.
"In dieser Phase kamen mir große Zweifel, ob dieser junge Mann von 21 Jahren meinem unbewussten Bild von einem Traummann nicht unwirklich wäre - wahrscheinlich fühlte ich mich zu ihm als einem der wenigen jungen Männer hingezogen, die mich sexuell nicht abstießen", schreibt sie.
Es folgen Aufzeichnungen unterschiedlichster Art: Aufgaben-Listen, Einkaufszettel und Rezepte für Brathuhn oder Roastbeef, in denen sich die Monroe daran erinnert "keinen Knoblauch" zu benutzen.
Die Herausgeber zeigen größtenteils unbekannte Bilder der schönen Blondine. Auf den meisten liest oder schreibt sie. "Es sollte keins der üblichen Bücher über sie werden, es sollte ein Buch von ihr sein", sagt Comment.
Wer von dem Buch restlose Aufklärung über den Mythos Monroe erwartet, wird sicher enttäuscht. Neue Enthüllungen über ihre Beziehung zu den Kennedy-Brüdern gibt es nicht - dafür aber eine andere Seite der Schauspielerin zu entdecken.
"Man sieht eine verletzliche Frau, die auf immer dünner werdendem Eis lebte", sagt der Programmleiter Internationale Literatur des S. Fischer Verlages, Hans Jürgen Balmes. "Man bangt mit ihr und wünscht sich inständig, dass sie davonkommt, einen Ausweg findet. Doch im Hinterkopf hat man immer ihr tragisches Ende." Gänsehaut bereitet vor allem eins ihrer Gedichte: "Verdammt, ich wünschte ich wäre tot - gar nicht vorhanden - fort von hier - von überall."