Vorschläge nur handschriftlich
Bloß keine E-Mails! Wer einen Kandidaten für den Nobelpreis ins Rennen schickt, muss höchst pingelige Regeln beachten.
Stockholm. "Beim Nobelpreis sind wir altmodisch", seufzt Astrid Gräslund halb verlegen, halb verliebt: "Unsere Formulare lassen sich nur mit der Hand ausfüllen. Man muss sie mit der Post zurückschicken, Mails nehmen wir nicht an." Durch hunderte handschriftliche Vorschläge mit (kurzer!) Begründung wühlen sich die Juroren jedes Jahr, ehe Anfang Oktober ein, zwei oder höchstens drei Chemiker einen Anruf aus Stockholm bekommen.
Als "Ständige Sekretärin" des Chemie-Komitees in Schwedens Wissenschaftsakademie managt die Professorin für Biochemie nebenberuflich das pingelig vorgeschriebene Verfahren. Am Anfang stehen jedes Jahr "Einladungen" an 2000 bis 3000 wissenschaftliche Einrichtungen und Chemie-Kapazitäten, Vorschläge für den Nobelpreis zu schicken.
Etwa 500 der Angeschriebenen antworten und schicken ihre Vorschläge. Gräslund sammelt sie in einem schön eingebundenen und total geheimen "Roten Buch": "Das ist groß und dick. Wir haben einige hundert Kandidaten, aber natürlich tauchen die meisten Namen ja immer wieder auf", berichtet Gräslund und lächelt nur müde auf die Frage, ob man es mal anschauen dürfe.
Sie selbst guckt immer wieder rein: "Man bekommt einen einzigartigen Einblick, was sich forschungsmäßig so rührt."
Mit sieben weiteren Mitgliedern im Chemie-Komitee wählt Gräslundim Frühjahr 20 bis 30 Namen im engeren Kandidatenkreis aus, für die dann Fachgutachten eingeholt werden.
Nach den Sommerferien wird die Liste weiter "zusammengekocht". "Natürlich gibt es dabei Konflikte und auch unterschiedliche Vorlieben bei uns im Komitee", gesteht die Schwedin. Sie selbst freue sich stets über einen Preis für Grundlagenforschung.
Jedes Jahr an einem Mittwoch im Oktober wird dann von über hundert meist ergrauten und meist männlichen Mitgliedern der Wissenschaftsakademie die endgültige Entscheidung gefällt. "Es ist seit 1901 einmal vorgekommen, dass die Akademie den Vorschlag des Komitees nicht angenommen hat."
So vage die Auskünfte über diesen Fall bleiben, so entschieden weist die Komiteesekretärin die Vermutung zurück, dass es gezieltes "Lobbying" oder auch direkte Bestechungsversuche von Kandidaten oder Interessengruppen für den Nobelpreis gibt.
"In Afrika und Asien schlägt man sich schon mal gegenseitig vor", berichtet die Schwedin über etwas, was ihr Komitee überhaupt nicht mag. Gegen führende Mitglieder der Nobel-Komitees ermittelte die Staatsanwaltschaft vor zwei Jahren folgenlos wegen Verdachts auf passive Bestechung nach einer pompösen Einladungsreise durch China.
"Seitdem sind wir mit so etwas noch viel vorsichtiger", sagt die Chemie-Sekretärin, kann aber gewisse Dauerprobleme durch ihre Schlüsselrolle für Nobelehren nicht leugnen: "Man wird schon sehr zuvorkommend behandelt, wenn man auf Kongressen auftaucht."