Endlich die Liebsten umarmen
Karl Merk (55) lebt mit den Armen eines Toten – dank einer sensationellen Transplantation.
Memmingen. Die erste Umarmung seiner Frau und seiner beiden Töchter gehörte für Karl Merk zu den wichtigsten Momenten nach seiner Operation. Was für viele Menschen alltägliche Gewohnheit ist, war für den 55-Jährigen eine Sensation. Seit einem Jahr lebt der Unterallgäuer Landwirt mit den Armen eines Toten.
Stolz und mit einem strahlenden Lächeln präsentiert er die transplantierten Arme am Mittwoch im Memminger Klinikum der Öffentlichkeit. Bei jeder Armbewegung von ihm prasselt ein Blitzlichtgewitter der Fotografen. "Ich kann noch viel mehr", sagt der Allgäuer und verschränkt zuerst die Arme vor der Brust, bevor er sich scheinbar mühelos am Kopf kratzt.
Sechs Jahre lang hat Merk ohne Arme gelebt. Ein Maishäcksler hatte sie ihm abgerissen. Mit den verordneten Prothesen kam er nie zurecht. Im Juli 2008 begann für den Familienvater dann ein neues Leben. Ein männlicher Spender, der im Hinblick auf Alter, Hautfarbe, Größe und Blutgruppe passte, war gefunden worden: Die weltweit erste Transplantation von zwei kompletten Armen sorgte für großes Aufsehen. 15 Stunden dauerte der komplizierte Eingriff am Münchner Klinikum rechts der Isar, an dem ein 40-köpfiges Ärzteteam beteiligt war.
Die gesundheitlichen Fortschritte nach nur einem Jahr erstaunen die Ärzte. "Herr Merk ist weiter, als wir gedacht haben", sagt der Leiter des Ärzteteams, Christoph Höhnke. Der Patient könne schon die ersten Finger bewegen und selbstständig essen.
Damit nicht genug. Als Merk erzählt, was er sonst schon alles macht, erntet er großes Erstaunen. "Irgendwann stand ich in der Garage und sah mein Fahrrad. Da dachte ich mir, ich probiere es einfach mal." Seine Frau habe sich gewundert, wer da mit dem Rad über den Hof fährt. "Aber es hat funktioniert."
Er ist auch schon Traktor gefahren und geht regelmäßig mit dem Hund spazieren. Doch auch die kleinen Fortschritte erleichtern sein Leben. Da der Unterallgäuer gerne in Gesellschaft ist, fangen die Annehmlichkeiten für ihn im Bierzelt an. "Es ist entspannend, wenn man sich mit den Armen auf dem Biertisch abstützen kann. Ohne Rückenlehne musste ich sonst immer aufrecht sitzen. Das hat im Kreuz wehgetan."
Bis die gespendeten Arme voll funktionieren, wird nach Auskunft der Ärzte mindestens ein weiteres Jahr vergehen. Bis dahin ist eine regelmäßige Physiotherapie nötig. Mehrere Stunden täglich trainiert Merk in der Memminger Klinik, um Nerven aufzubauen und Muskeln zu erhalten. Im August sollen Schwimmübungen beginnen.
Mehr und mehr freunde sich sein Körper mit den neuen Armen an. "Ich warte jetzt sehnsüchtig darauf, wieder etwas mit den Händen festhalten zu können und dadurch selbstständiger zu werden."
Wenn er weiter solche Fortschritte macht, will der Landwirt irgendwann wieder arbeiten. Außerdem hält er am Traum fest, eines Tages wieder auf dem Motorrad durchs Allgäu zu streifen. "Das wäre das Größte."