Ermittlungen nach Massenkarambolage bei Rostock
Rostock (dpa) - Nach der verheerenden Massenkarambolage in einem Sandsturm bei Rostock mit acht Toten tritt die Suche nach den Ursachen in den Vordergrund. Die Staatsanwaltschaft Rostock hat Ermittlungen aufgenommen.
„Es besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung“, sagte Staatsanwältin Maureen Wiechmann am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Experten der Prüforganisation Dekra sollen klären, „ob Autofahrer angesichts der Sandwand zu schnell oder zu unvorsichtig gefahren sind“. Noch am Freitag waren fünf Fahrzeuge an der Unfallstelle bei Kavelstorf beschlagnahmt worden. Am Samstag waren die Unfallautos bis auf einen Lastwagen von der Autobahn 19 geräumt und die Fahrbahn Richtung Berlin wieder freigegeben worden. Die Gegenfahrbahn sollte am Sonntagnachmittag folgen.
In einer Sandwolke, die den Fahrern die Sicht nahm, waren 80 Fahrzeuge ineinandergerast. Knapp 30 gingen in Flammen auf. Ein seit dem Morgen tobender Frühlingssturm hatte Sand und Staub von angrenzenden Feldern aufgewirbelt und auf die Fahrbahn geweht. Die Polizei berichtete von Sichtweiten unter zehn Metern zum Unfallzeitpunkt um kurz nach 12.30 Uhr am Freitagmittag.
Das Flammeninferno ging nach Angaben der Feuerwehr von nur einem Auto aus. „Das war ein Auto, das stand mittendrin und brannte“, sagte der Einsatzleiter der Feuerwehr, Hannes Möller. Durch den starken Wind und die eng zusammenstehenden Autos habe sich das Feuer schnell auf benachbarte Wagen ausdehnen können. Auch ein Gefahrguttransporter sei so entzündet worden.
Insgesamt hatte es etwa 130 Verletzte gegeben. 20 Schwerverletzte wurden am Samstag in Krankenhäusern behandelt, ein Mann schwebte noch in Lebensgefahr. Die Toten stammen nach Angaben der Polizei aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen-Anhalt. Kinder sind demnach nicht unter den Opfern.
An der Unfallstelle gab es kein Tempolimit. Landesverkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) verlangte eine Debatte über Geschwindigkeitsbegrenzungen. „Man kann nicht jeden Unfall durch Verkehrsregeln verhindern. Wir müssen aber darüber reden, ob und wie Tempolimits zu mehr Sicherheit beitragen können“, erklärte er.
Der BUND gab der Agrarindustrie eine Mitschuld am Entstehen des Sandsturms. „Durch die jahrelange Vernachlässigung der Bodenstruktur haben die Böden immer weniger Humusgehalt“, sagte der BUND-Agrarexperte Burkhard Roloff. Die obere Krume des Bodens trockne aus, und je geringer der Humusgehalt sei, desto einfacheres Spiel habe der Wind. Zudem fehlten Hecken, die den Wind bremsen könnten.
Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Rainer Tietböhl bezeichnete diese Darstellung als Unsinn und verwies auf die anhaltende Trockenheit. Dafür könne kein Landwirt etwas. Autobahnmeisterei und Meteorologen sprachen von einer „unglücklichen Verkettung von Zufällen“. Zur Unfallzeit habe es Windgeschwindigkeiten bis knapp 90 Stundenkilometer gegeben.
Die Aufräumarbeiten wurden am Samstag mit Hochdruck vorangetrieben. Arbeiter gossen neuen Asphalt auf die A19. Die Fahrbahn war in der Hitze der brennenden Autos auf 70 Meter Länge schwer beschädigt worden. Insgesamt waren 300 Retter im Einsatz. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dankte ihnen für ihren „unheimlich schweren Einsatz“.