Ermittlungen: Wurde Maddie nicht entführt?

Britische Experten sind im Ferien-Appartement ihrer Eltern auf Blutspuren gestoßen. Es könnte sein, dass das Mädchen dort umgebracht wurde.

London. Fast 100 Tage nach dem mysteriösen Verschwinden von Madeleine, kurz Maddie, gibt es wüste Spekulationen über den Stand der Ermittlungen. Angeblich konzentrieren sich die Fahnder jetzt auf die Eltern des Mädchens und deren Bekanntenkreis. Die portugiesische Zeitung "Diário de Notícias" berichtet, die Polizei wisse seit einem Monat, dass die Vierjährige in der Ferienwohnung ihrer Eltern in Südportugal zu Tode gekommen sei. Die Möglichkeit einer Entführung hielten die Ermittler seither für ausgeschlossen.

Damit falle ein Verdacht auf den Bekanntenkreis der britischen Eltern des Mädchens, das am 3. Mai aus einer Ferienanlage im Algarve-Badeort Praia da Luz spurlos verschwunden war. Nach Angaben der Zeitung "Público" untersuchten Polizeiexperten zehn Autos, die von den Eltern und deren Freunden an der Algarve benutzt worden waren, auf Spuren des Mädchens.

Maddies Eltern zeigten sich gestern überzeugt, dass ihr Kind nicht tot ist. "Kate und ich glauben ganz fest daran, dass Madeleine lebt", sagte ihr Vater, Gerry McCann. Die Eltern weigerten sich, auf Spekulationen einzugehen, dass ihre Tochter schon in der Ferienwohnung getötet worden sein könnte.

Nach Angaben der britischen "Times" sollen die McCanns erneut befragt worden sein - die Befragungen stünden allerdings in keinem Zusammenhang mit Blutspuren, die im Schlafzimmer des Mädchens im Ferien-Appartement gefunden worden seien. Die mit bloßem Auge kaum erkennbaren Spuren sollen britische Spezialisten mit Hilfe von Spürhunden entdeckt haben. Offenbar haben die portugiesischen Kollegen das übersehen. Die Arbeit der portugiesischen Polizei steht seit der Entdeckung in der Kritik. Denn die Fahnder hatten das Appartement schon am 11. Juni freigegeben.

Aus Polizeikreisen wurde bekannt, dass möglicherweise jemand versucht hat, die Blutspuren wegzuwischen. Allerdings könne es auch sein, dass die Flecken bereits mehrere Jahre alt sind. Britische Experten analysierten die Blutreste, um daraus die DNA zu ermitteln. Bislang steht nicht fest, ob das Blut von Maddie stammt. Es kann mehrere Tage dauern, bis Ergebnisse vorliegen.

Einer neuen Spur, die in die Schweiz führte, maßen die portugiesischen Ermittler keine Bedeutung bei. Vergangene Woche hatte sich in Appenzell ein mutmaßlicher Kinderschänder erschossen. Er soll in der Nähe des portugiesischen Ferienortes gewesen sein, als Maddie verschwand, berichtet die britische "Times". Die Hypothese, dass der Schweizer etwas mit dem Fall Madeleine zu tun haben könnte, sei unbegründet, sagte jedoch ein Sprecher der portugiesischen Kriminalpolizei.

Die Ermittlungen im Fall Maddie werfen immer mehr Fragen auf. Warum wurden erst drei Monate nach dem Verschwinden des Mädchens Blutspuren im Zimmer entdeckt? Und warum wurden sie von britischen Spezialisten gefunden? Offenbar haben die portugiesischen Ermittler nachlässig gearbeitet. Schon unmittelbar nach Maddies Verschwinden haben sie es nicht geschafft, die Anlage abzusperren. Die Polizei darf sich Schlampereien eigentlich nie leisten, aber wenn es um ein verschwundenes Kind geht, sind sie unverzeihlich.