Erster Weltkrieg und die Auswirkungen auf die Kunst
Bonn (dpa) - Mit einem Schlag war alles zu Ende. Der internationale Dialog der Künstler, Reisen ins Ausland, Verbindungen zu ausländischen Kunsthändlern - mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 gibt es das alles nicht mehr.
Die einstmals bestens vernetzten Avantgarden der großen europäischen Kunstzentren lösten sich in ihre Einzelpositionen auf. Wie sich Künstler und Kunst in dieser Situation veränderten und entwickelten, zeigt die Ausstellung „1914 - Die Avantgarden im Kampf“ in der Bonner Bundeskunsthalle vom 8. November bis zum 23. Februar 2014.
300 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen von Beckmann, Dix, Kandinsky, Kirchner, Klee, Macke, Malewitsch, Marc, Picasso und 50 weiteren Künstlern vermitteln eindrucksvoll, bisweilen bedrückend, das Geschehen jener Zeit. Die Ausstellung erzählt die Entwicklung chronologisch und beginnt mit der Blütezeit der Avantgarden vor 1914.
Dafür stehen in der Schau die kubistischen Werke „Violine“ (1914) von Pablo Picasso, „Fensterbild“ (1912) von Robert Delaunay oder Jean Metzingers „Frau mit Pferd“ aus dem Jahr 1911. Arbeiten unter anderem von Gabriele Münter, Franz Marc und Wassily Kandinsky repräsentieren in diesem Abschnitt die Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Unter dem Begriff „Vorahnungen“ findet der Besucher in der nächsten Abteilung Werke von Alfred Kubin, Ludwig Meidner und August Macke mit Titeln „Der Krieg“, „Die Schrecken des Krieges“ oder „Weltuntergang“ aus den Jahren 1903 bis 1913.
Mit Ausbruch des Krieges taten die Künstler Dienst an der Front oder an der Heimatfront. So wurden auf englischer, französischer, aber auch deutscher Seite Künstler herangezogen, um die Tarnung von Kriegsgerät, die Camouflage, herzustellen. In der Ausstellung findet sich ein Brief Franz Marcs an seine Frau, in dem er beschreibt, wie er in einer Scheune Zeltbahnen bemalt. Er habe neun Kandinskys gemalt, schreibt er. Ein Flugzeug sollte zur Überprüfung der Tarnung starten. Aus der Luft „wird man dann eine Entwicklung von Monet bis Kandinsky entdecken“.
Vom Elend des Krieges, von den Schrecknissen der Front fertigen die Künstler vielfach Skizzen an. Ihnen fällt so die Rolle des Beobachters zu. Die „pinsellosen Maler“ (Paul Klee) waren zunehmend auf handliche Formate und einfache Techniken angewiesen. Solche Werke entstanden meist ohne Auftrag. Wenn die Maler Staffel, Leinwand und Ölfarben zur Verfügung hatten, arbeiteten sie meist in offiziellem Auftrag. Als Beispiele fungieren Werke des Franzosen Félix Vallotton oder des englischen Malers C.R.W. Nevinson. Dann aber mussten Vorgaben beachtet werden. Entsprach das Motiv nicht den politischen Richtlinien, meldete sich die Zensur, wie im Fall Nevinsons.
Von Beginn an aber stellten sich einzelne Künstler auch gegen den Krieg. Willy Jaeckels drastisch realistische Grafikserie „Memento 1914/1915“ ist ein eindrucksvolles Beispiel. Zu sehen sind auch die kritisch kabarettistischen Blätter Max Slevogts und die schwarz-weißen Holzschnitte des Belgiers Frans Masereel. Erschütterung und Fassungslosigkeit sprechen aus den Werken von Max Beckmann und Otto Dix.
Viele Künstler flüchteten in die neutrale Schweiz. Dort trafen sich 1915/1916 Kriegsgegner und Flüchtlinge wie die Rumänen Marcel Janco und Tristan Tzara, der Deutsche Hans Richter und der Elsässer Hans Arp. Es entstand die Bewegung Dada. Ihnen ist ein Raum am Schluss der Ausstellung gewidmet. Die Dadaisten waren gegen alles - gegen den Krieg, die Bourgeoisie und deren Kultur. Es ging ihnen um einen neuen Umgang mit der gesprochenen und gedruckten Sprache sowie um die Erfindung der Aktion.
Den Abschluss bildet eine eigene Ausstellung mit dem Titel „Missing Sons - Verlorene Söhne“. Mit 80 fotografischen Reproduktionen und fünf Originalarbeiten von Käthe Kollwitz wird eine Brücke vom Ersten Weltkrieg bis ins 21. Jahrhundert geschlagen. Millionen von Toten und Vermissten sowie die Trauer der Hinterbliebenen stellen einen Einschnitt dar, der die Gesellschaft bis heute prägt. Mit den Artilleriegeschützen, die im Ersten Weltkrieg erstmals eingesetzt wurden, wurden die Körper vieler Gefallener vernichtet. Alles, was von den Vermissten übrig bleibt, sind ihre Namen. Die Ausstellung zeigt die geschaffenen Gedenkorte mit Inschriften und langen Namenslisten.
Erörtert wird die Frage, wie die Menschen mit dem Verschwinden, der Erinnerung und der Trauer umgegangen sind, nicht nur mit Blick auf zwischenstaatliche Kriege, sondern auch auf Diktaturen, Bürgerkriege und den Terroranschlag auf das World Trade Center.