Explosionen in Taiwan lösen Inferno mit Dutzenden Toten aus
Kaohsiung (dpa) - Mehrere Gasexplosionen haben in der zweitgrößten Stadt Taiwans mindestens 26 Menschen in den Tod gerissen. Mehr als 270 weitere wurden in der Hafenstadt Kaohsiung verletzt, wie Taiwans Nachrichtenagentur CNA berichtete.
Bilder zeigen aufgerissene Straßen und zertrümmerte Gebäude in der Metropole mit 2,8 Millionen Einwohnern. Die Behörden befürchteten weitere Opfer, mehrere Menschen wurden noch vermisst.
Der taiwanesische Wirtschaftsminister und aktuelle Rettungsleiter Chang Chia-juch vermutete, dass Propan aus Pipelines im Boden ausgetreten war. Dieses habe sich entzündet und das Inferno angerichtet.
1000 Menschen mussten das betroffene Stadtviertel verlassen und in Schulen unterkommen. Aufnahmen aus dem betroffenen Cianjhen District zeigen ein Bild der Zerstörung. Die Explosionen waren so stark, dass sie Menschen und Autos auf bis zu drei Stockwerke hohe Häuser schleuderten. Zwei Passanten wurden auf den Balkon eines Gebäudes geworfen, wie die Polizei berichtete. Augenzeugen sagten CNA, dass die Detonationen Motorräder und Autos mit ihren Fahrern bei vollem Tempo von der Fahrbahn warfen. Selbst Feuerwehrautos flogen durch die Luft.
Nach Einschätzung eines Experten des Deutschen Feuerwehrverbandes könnte ein solches Inferno hierzulande nicht passieren. „In Deutschland würde keine Behörde genehmigen, dass eine Propangasleitung so dicht an Wohnhäusern liegt“, sagte der Vizepräsident des Verbandes, Ulrich Behrendt, der Nachrichtenagentur dpa.
Die Behörden in Taiwan leiteten Untersuchungen ein. Der Bürgermeister sagte, in dem Stadtteil verliefen viele Leitungen von Petrochemie-Unternehmen. Die Firmen hätten Pipelines entlang der Kanalisation gebaut. Das Viertel liegt in der Nähe eines internationalen Flughafens und ist eine Mischung aus Wohn- und Industriegebiet.
Wie Wirtschaftsminister Chang sagte, konnte das Feuer nicht sofort mit Wasser gelöscht werden. Die Feuerwehr habe warten müssen, bis das Gas abgebrannt gewesen sei. Laut Chang wurde die Gasquelle abgeschaltet. Die Unternehmen wiesen am Freitag eine Verantwortung für das Unglück zurück. Bislang gebe es keine Belege, dass ihre Pipelines in das Unglück verwickelt seien.
„Bei unterirdischen Leitungen reicht bei einem Leck schon ein Mini-Funke, um eine Explosion auszulösen. Denn das Gas ist in seiner Röhre hochkonzentriert, kann sich nicht mit Luft vermischen und auf diese Weise verdünnen“, erklärte Behrendt vom Deutschen Feuerwehrverband. „In einer unterirdischen Gasröhre kann deshalb leicht eine großflächige Kettenreaktion entstehen, die ganze Straßen aufreißt.“
Tausende Feuerwehrleute und Soldaten eilten in die Gegend. Die Lage sei noch nicht komplett unter Kontrolle, warnten Behördenvertreter am Freitag. Die Temperatur in einem Gaslager in der Nähe sei weiterhin erhöht. Mehr als 12 000 Familien wurden vom Strom abgeschnitten; für 23 000 Familien war vorübergehend die Gasversorgung unterbrochen.
Am Donnerstag gegen 21 Uhr hatten Anwohner die Feuerwehr alarmiert. Sie hatten Gasgeruch festgestellt und ein Leck in den Gasleitungen vermutet, wie die Agentur CNA berichtete. Gegen Mitternacht habe es dann die ersten Explosionen gegeben.
Präsident Ma Ying-jeou kondolierte den Familien der Opfer und kündigte an, dass die von den petrochemischen Fabriken genutzten Rohre, welche unter städtischem Gebiet verliefen, überprüft werden sollten. Umweltgruppen forderten die Regierung auf, den genauen Verlauf von Gasleitungen zu veröffentlichen. „Die Stadtverwaltung sollte keine weiteren Petrochemie-Unternehmen mehr zulassen. Setzen Sie nicht unsere Leben aufs Spiel“, sagte Lee Ken-cheng von der Gruppe Citizen of the Earth Taiwan.