Flucht vor dem Rosenmontag
Anti-Karneval: Tausende Besucher strömten am Rosenmontag zu Ikea, um dem jecken Treiben zu entgehen.
Düsseldorf. Bereits um kurz vor 11Uhr geht kaum noch was. In einer langen Kolonne reihen sich Autos Stoßstange an Stoßstange auf der Suche nach einer Parklücke. An ihnen vorbei pilgern Kauflustige ihrem Ziel entgegen: nicht dem Rosenmontagszug, sondern dem Eingang von Ikea Düsseldorf.
Das schwedische Einrichtungshaus bietet Karnevalsflüchtlingen an diesem jecken Montag Asyl. Das Motto lautet zwar "Verkleide dein Zuhause", damit soll’s aber auch schon gewesen sein mit dem närrischen Treiben. "Wir machen extra keine besonderen Karnevalsaktionen wie Kinderschminken, denn wir wollen ganz bewusst eine Alternative zum Rosenmontag sein", sagt Nicole Reith aus der Kommunikationsabteilung. Und diese Alternative nehmen viele an. Sehr viele.
Im Restaurant ist kein Stuhl mehr frei, Kinder (und Eltern) warten auf einen Platz im Ballparadies, und die Gänge in der Möbelschau sind rappelvoll. "Ich finde das Angebot trotzdem gut", sagt Stephanie Lohde. Sie ist mit ihren Kindern Anna(4) und Philipp(7) aus Leichlingen angereist, um ein Kinderbett zu kaufen. "Mein Mann hat ein Restaurant in Köln. Da ist seit Tagen so viel los, dass wir einfach mal eine Auszeit brauchen."
Sie nutzt den Tag zum gemeinsamen Shopping aus, weil die Kinder nicht in Kindergarten und Schule gehen. Nicole Reith sagt: "So geht es heute vielen unserer Besucher. Auch den Erwachsenen. Die Firmen geben frei und wer nicht jeck feiert, sucht sich eine andere Beschäftigung."
Mit so viel Andrang hat aber nicht jeder gerechnet: "Hätte ich das gewusst, wäre ich ein andermal gekommen", sagt Alexander Braun. Er hat in der Kinderabteilung ein paar Kleinteile für seine Tochter besorgt und schaut hilflos lächelnd auf die vielen Kinder um ihn herum. Sie quietschen, sie quäken und ziehen Mami an der Hand durch die Gänge. Entdecke die Möglichkeiten.
Genaue Besucherzahlen will Ikea aus Wettbewerbsgründen nicht herausgeben. Aber wer schon einmal in der Woche vor Weihnachten in dem Möbelhaus war, hat eine ungefähre Vorstellung davon, was an diesem Tag los ist. "Der Rosenmontag gehört zu den Umsatz-stärksten Tagen im Jahr", sagt Nicole Reith. Der Verkaufsschlager: nicht das sonst so beliebte Billy-Regal, nicht die Teelichte, nein: Berliner.
Sechs Stück für unter zwei Euro - seit Weiberfastnacht wurden mehr als 10000 der Gebäckstücke verkauft. Ikea musste schon nachordern. Ansonsten befinden sich vor allem Kleinartikel in den Einkaufswagen. Eine Küche oder ein Schlafzimmer kauft am Montag kaum jemand. So auch Susanne Hertel. "Eigentlich sind wir riesige Karnevalsfans. Aber wir sind am Wochenende umgezogen und besorgen jetzt noch die letzten Kleinigkeiten fürs neue Haus."
Ikea Düsseldorf bietet den Rosenmontagsverkauf seit Jahren an. In der Geschäftsführung weiß man genau, was an diesem Tag auf das Team zukommt, und ist vorbereitet. Kassen, Restaurant, Beratung, Parkanweiser - alle Posten sind voll besetzt. Rund 250 Mitarbeiter sind im Einsatz, damit trotz des Andrangs alles flüssig läuft. "Wir haben versucht, den Dienstplan so zu machen, dass die Karnevalisten unter den Mitarbeitern zumindest an einem der närrischen Tage feiern können", sagt Reith.
Ein paar Jecke müssen aber auch am Rosenmontag ran - sie lassen sich die Stimmung nicht verderben. Kathrin Willems und Monika Kucharczyk beraten ihre Kunden in der Regalabteilung mit Strassherzchen auf ihren Wangen und einem jecken Hut auf dem Kopf. "Wir haben Dienst bis 18Uhr - und danach fahren wir in die Stadt zum Feiern." Karneval paradox.