Fünf Jahre danach: Weiße Rosen für Opfer von Winnenden
Winnenden (dpa) - Fünf Jahre sind vergangen, Entsetzen und Trauer bleiben. Winnenden erinnerte am Dienstag meist schweigend an die Opfer des Amoklaufs vom 11. März 2009. Weiße Rosen wurden für sie aufgestellt - 15 Stück.
Am fünften Jahrestag des Amoklaufs von Winnenden ist dort am Dienstag der Opfer gedacht worden. Um 9.33 Uhr läuteten in der Kleinstadt nahe Stuttgart für fünf Minuten die Kirchenglocken. Zu dieser Zeit war am 11. März 2009 der erste Notruf bei der Polizei eingegangen. Der ehemalige Schüler Tim K. war in die Albertville-Realschule eingedrungen und hatte mit der Pistole seines Vaters während des Unterrichts acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen ermordet. Auf seiner Flucht nach Wendlingen erschoss der 17-Jährige drei weitere Menschen und sich selbst.
An einer neuen Gedenkstätte im Stadtgarten in Sichtweite der Schule verlas Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth (CDU) vor den Trauernden die Namen der Ermordeten und ihr Alter. Zum Großteil waren die Opfer gerade mal 15 oder 16 Jahre alt. Die Flaggen der Stadt trugen Trauerflor. 15 weiße Rosen standen auf dem Mahnmal „Gebrochener Ring“, das seit vergangener Woche an die Bluttat erinnert. Im Inneren des Rings sind die Namen der Opfer und ein Gedicht zu lesen.
Es tue gut, an so einem Tag mit Menschen zusammenzukommen, die ein ähnliches Schicksal getroffen habe, sagte Hardy Schober, der beim Amoklauf seine 15 Jahre alte Tochter Jana verloren hatte. Er kämpft seither für schärfere Waffengesetze und mehr Gewaltprävention an Schulen.
Die Schulgemeinschaft blieb an diesem Tag weitgehend unter sich, erinnerte zur Tatzeit schweigend an die Opfer. Auch Gespräche über Gewaltprävention waren geplant, wie Schulleiter Sven Kubick mitteilte. Noch rund 100 Schüler der Jahrgangsstufe 10 haben den Amoklauf damals miterlebt. Die Zahl der Lehrer im Kollegium, die noch da sind, schätzte Kubick auf rund 20.
Auch das grün-rote Landeskabinett gedachte am Vormittag mit einer Schweigeminute der Opfer. „Unser Mitgefühl gilt den Familien, denen unvorstellbares Leid angetan wurde“, heißt es in einem Twitter-Eintrag der Landesregierung.
Bei einem bewegenden Gottesdienst überbrachte der US-amerikanische Pastor Anthony Bennett Grüße von Hinterbliebenen des Amoklaufs von Newtown. Dort waren Ende 2012 an einer Grundschule 27 Menschen erschossen worden, darunter 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren. „Wir stehen euch bei, ihr seid nicht allein“, sagte Bennett. „Schmerz kennt keine geografischen Grenzen.“
Auch einzelne Schüler und Lehrer der Albertville-Realschule gestalteten den Gottesdienst. Immer wieder drehte es sich um die Frage, wie sich aus Trauer und Schmerz Zuversicht und Stärke ziehen lassen. Am Ende wurden Strohhalme verteilt, als Hoffnungssymbol. Bis zum Abend wurde bei weiteren ökumenischen Gottesdiensten und auch an den Gräbern auf verschiedenen Friedhöfen an die Tat erinnert. Den Abschluss bildete am Abend eine Lichterkette vom Marktplatz aus in Richtung Schule, an der nach Angaben eines Stadtsprechers mehr als 600 Menschen etwa mit Kerzen und Windlichtern teilnahmen.
Tim K. hatte bei dem Amoklauf 285 Kugeln Munition dabei. Sein Vater hatte die Waffe unverschlossen im Kleiderschrank aufbewahrt, die Munition im Nachttisch. Der Unternehmer wurde wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sein Sohn war 2008 in psychiatrischer Behandlung gewesen und hatte von Hass und Tötungsfantasien gesprochen. Wie sich zeigte, war er süchtig nach Computer-Ballerspielen und ein Waffennarr.
Stuttgarts Regierungspräsident Johannes Schmalzl ermunterte die Bürger, weiter freiwillig ihre Waffen abzugeben. Seit 2009 seien von einst 900 000 Waffen im Südwesten rund 166 000 Waffen abgegeben und vernichtet worden.
Die Stadt Winnenden hat eine Klage gegen die Eltern des Todesschützen angekündigt. Die Eltern seien nicht bereit gewesen, sich „in irgendeiner Weise“ an der Schadensregulierung zu beteiligen, hieß es. Die Versicherung und die Anwälte der Opfer und Angehörigen haben unterdessen eine Lösung gefunden. Aber auch der Vater von Tim K. selbst streitet zivilgerichtlich: Er will, dass das Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg mögliche Schadenersatzforderungen übernimmt. Die Klinik habe ihn nicht von der Gefahr berichtet, die von seinem Sohn ausging.