Fukushima: Stickstoff soll neue Explosionen verhindern

Tokio (dpa) - Mit dem Abdichten eines gefährlichen Lecks ist den Arbeitern an der Atomanlage Fukushima ein kleiner Erfolg gelungen. Jetzt wollen sie mit Stickstoff verhindern, dass es in den zerstörten Reaktorgebäuden erneut zu Wasserstoff-Explosionen wie kurz nach der Havarie kommt.

In der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) startete der Energiekonzern Tepco am Kraftwerksblock 1 die Arbeiten. Der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde NISA, Hidehiko Nishiyama, versuchte am Mittwoch zu beruhigen. Eine unmittelbare Explosionsgefahr bestehe derzeit nicht, zitierte ihn die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Es handele sich um reine Vorbeugung. In den Tagen nach dem Tsunami vom 11. März, der das Atomkraftwerk schwer getroffen hatte, war es in den Blöcken 1, 3 und 4 zu Wasserstoff-Explosionen gekommen. Sie hatten starke Zerstörungen angerichtet.

Noch ist die Gefahr neuer Explosionen nicht gebannt. Die Brennstäbe im Reaktorblock 1 hatten zeitweise aus dem Kühlwasser geragt und sich gefährlich erhitzt. Dadurch könnte sich das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt haben. In diesem Fall stiege das Risiko einer Knallgasexplosion.

Mit Stickstoff lässt sich das gefährliche Gemisch verdünnen. Stickstoff ist reaktionsträge, so dass unerwartete chemische Reaktionen ausgeschlossen sind. Dennoch gab die Atomsicherheitsbehörde zu bedenken, dass durch die Zuführung des Gases radioaktive Substanzen aus dem Reaktorsicherheitsbehälter entweichen könnten. Die Behörde wies Tepco an, die Strahlung in der Umgebung genau zu beobachten.

Kurz vor Beginn der Stickstoff-Zuführung konnte Tepco eine Erfolgsmeldung verkünden. Den Arbeitern gelang es, ein Leck abzudichten. Durch den Riss in der Betonwand eines Kabelschachtes fließe nun kein radioaktiv verseuchtes Wasser mehr in den Pazifik, berichteten japanische Medien. Unklar ist aber, ob die Abdichtung mit sogenanntem Wasserglas halten wird und ob es noch andere Lecks im Kraftwerk gibt.

Experten wollen noch keine Entwarnung geben. Die japanische Atomaufsicht hat Tepco angewiesen, zu beobachten, ob das Leck wirklich dicht ist und das verseuchte Wasser nicht anderswo ausläuft, berichtete Kyodo. Der Physiker Volker Erbert äußerte sich im ZDF kritisch. „Dicht sein und dicht bleiben ist ein Unterschied“, sagte er dem Sender.

Die Masse kann zum Beispiel spröde werden. In sehr heißer Umgebung ist es auch möglich, dass ausgehärtetes Flüssigglas wieder zu schmelzen beginnt. 52 Arbeiter hatten rund 6000 Liter des Mittels an 8 Stellen in den betreffenden Schacht gegossen. Zuvor waren Versuche gescheitert, das Leck mit Zement oder mit anderen chemischen Bindemitteln zu stopfen.

Das stark verseuchte Wasser, das tagelang aus dem Riss gesprudelt war, stammt nach Einschätzung von Tepco aus Reaktor 2. Dort gab es an den Brennstäben eine vorübergehende Kernschmelze. Das Abwasser sammelte sich später in dem Turbinengebäude von Reaktor 2 sowie in angeschlossenen Untergrundschächten, die bis in die Nähe des Ufers reichen.

Auch in anderen Teilen der Atomanlage steht noch viel Wasser, das zur Kühlung in die Gebäude gespritzt worden war. Um Platz für die hochgradig verseuchte Brühe zu schaffen, leitet Tepco seit Montag 11,5 Millionen Liter anderes, schwach verstrahltes Wasser ins Meer. Die japanische Regierung kündigte nach Kritik unter anderem aus Südkorea an, andere Länder künftig besser über die Situation und Maßnahmen in der Atomruine zu informieren.

Mit Blick auf die Opfer der Atomkatastrophe denkt Tepco über einen Entschädigungsfonds nach. Wie die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press meldete, würden sich sowohl der Betreiber als auch der Staat daran beteiligen. Wie viel Geld die Opfer am Ende bekommen könnten, wird noch geprüft. Es sind nicht nur die Bewohner der Risikozone um das AKW betroffen, sondern auch Landwirte und Fischer. Auch Firmen erlitten enorme Schäden.