Geisterzug prallt vor Mauer
Ein Güterzug mit 31 Waggons ist rund sechs Kilometer führerlos von Oberaußem nach Köln gerollt.
Köln. Roland Joepen glaubte an ein Erdbeben: "Plötzlich hörte ich ein Grollen, dann hat der Boden gebebt, und Sekunden später gab es einen fürchterlichen Knall." Mit Schrecken erinnert sich der Lagerleiter der Firma "Logwin" in Köln-Junkersdorf an die Begegnung mit einem Geisterzug. "Am Montagabend stand auf einmal der Zug bei uns in der Lagerhalle - wir sind schnell weggelaufen", erzählt Joepen weiter. Er und seine beiden Kollegen hatten Angst vor einer Explosion: "Wir wussten ja nicht, was der Zug geladen hatte".
In die Luft geflogen ist an diesem Abend in der Lagerhalle zum Glück nichts: Die 31 Waggons hatten Braunkohlestaub und Briketts geladen, allerdings sah es in dem Raum so aus, als ob es eine Explosion gegeben hätte. Zuerst durchbrach die Diesellok die schwere Tür zur Lagerhalle, fegte danach ungezählte Kartons von den Gleisen und fuhr schließlich gegen eine Betonwand. Die Polizei schätzt den Schaden auf weit über 100 000 Euro.
Der Güterzug hatte sich um 20.45 Uhr von der Koks-Fabrik Fortuna in Oberaußem (Rhein-Erft-Kreis) auf einer privaten Schienenanlage in Bewegung gesetzt - mit dem Ziel Frechen. Dort sollte die 1500 Tonnen schwere Fracht an einen externen Dienstleister übergeben und später über das öffentliche Schienennetz weitertransportiert werden, teilte der Energiekonzern RWE Power AG mit.
Doch dazu kam es nicht. Nach wenigen Minuten wollte der 44-jährige Zugführer auf der abschüssigen Strecke bremsen. Zum Entsetzen des Mannes und seines 20 Jahre alten Kollegen funktionierten die Bremsen jedoch nicht. "Daraufhin entschlossen sich die Männer von Bord zu gehen und sprangen aus dem fahrenden Zug", sagt Polizeisprecherin Cathrine Maus. Dabei erlitten die Männer klaffende Platzwunden am Kopf und Verstauchungen.
Der Güterzug fuhr führerlos mit Tempo 70 weiter. Erst nach etwa sechs Kilometern wurde er dann von der Brandschutzmauer gestoppt. Der Geisterzug geriet auf den Weg Richtung Junkersdorf, weil die Weiche der Schienenanlage der "Häfen- und Güterverkehr Köln (HGK)" in Richtung Frechen nicht gestellt war.
RWE-Sprecher Manfred Lang betonte, dass dies genau so vorgesehen war: "Der Zug wurde automatisch auf ein sogenanntes Stumpfgleis geleitet, weil vom Lokführer kein Signal kam, die Weiche umzustellen." Allerdings sollte dort ein Prellbock das Gefährt stoppen - was aber nicht gelang. Mit voller Wucht überfuhr der Geisterzug das Hindernis.
Warum die Bremsen des Güterzuges nicht funktionierten, muss noch geklärt werden.