Urteil in Hamburg Böhmermanns „Schmähkritik“ gegen Erdogan bleibt verboten

Hamburg (dpa) - Das Gedicht „Schmähkritik“ des TV-Satirikers Jan Böhmermann (37) über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bleibt in größeren Teilen verboten. Das entschied das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg.

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Die verbotenen Passagen beinhalteten schwere Herabsetzungen mit Bezügen zum Intimen und Sexuellen, für die es in der Person oder dem Verhalten von Erdogan (64) keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte gebe, urteilte das Gericht. Anders als die übrigen Verse dienten die untersagten Äußerungen allein dem Angriff auf die „personale Würde“ Erdogans und seien deshalb rechtswidrig.

Böhmermann hatte die Verse am 31. März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) vorgetragen und darin das türkische Staatsoberhaupt unter anderem mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren in Verbindung gebracht.

Die OLG-Entscheidung dürfte nicht die letzte in der juristischen Auseinandersetzung sein: Das Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts ist nicht rechtskräftig. Der Senat habe keine Revision zugelassen, weil sich keine Rechtsfragen stellten, die noch nie entschieden worden wären, erläuterte ein OLG-Sprecher. Dagegen können die Parteien aber Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einlegen.

Böhmermanns Anwalt kündigte dies umgehend an und sagte der Deutschen Presse-Agentur, notfalls - wie geplant - bis vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen. „Das Urteil verwundert nicht“, sagte Rechtsanwalt Christian Schertz, der die Kunstfreiheit nicht gewürdigt sah. Erdogans Anwalt Mustafa Kaplan zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: „Türken- und Islamfeindlichkeit sind nicht mit Kunstfreiheit zu rechtfertigen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Der 7. OLG-Zivilsenat wies sowohl die Berufung Böhmermanns gegen das vorinstanzliche Urteil vom 10. Februar 2017 als auch das Rechtsmittel Erdogans zurück. Das Staatsoberhaupt wollte sämtliche in dem Gedicht enthaltenen Äußerungen in Bezug auf seine Person untersagen lassen.

Das OLG führte aus, bei seiner Entscheidung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit abgewogen zu haben. Das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gewinne umso mehr an Gewicht, „je weiter die satirische Einkleidung von dem Gegenstand der Kritik entfernt ist und sich auf die bloße Herabsetzung der Person des Kritisierten fokussiert“.

Anders als Böhmermann ist das Gericht der Auffassung, dass es sich bei der Gesamtpräsentation durch den Moderator nicht um eine vorlesungs- oder seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinungsäußerungen handelt. Vielmehr sollte konkrete Kritik am Kläger geübt werden, befand das Gericht und stellte fest: „Weder die Sendung insgesamt noch das Gedicht bildet ein einheitliches, untrennbares Werk, dessen Zulässigkeit nur insgesamt beurteilt werden könnte.“

Böhmermanns Anwalt Schertz bewertete dieses Auseinanderpflücken erneut als „falschen Ansatz und verfassungsrechtlich bedenklich“. Er bekräftigte, dass das Gedicht mit seiner Einbettung in die Sendung als Gesamtkunstwerk gesehen werden müsse. Die Kunstfreiheit sei erneut nicht gewürdigt worden, monierte Schertz.